Page 45 - Mein Leben, Ausgabe 3 2021
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    EMPOWERMENT | Mehr vom Leben
 TIR
I DIABETESEINSTELLUNG
n den letzten Jahren wurde der Begriff „Zeit im Zielbe- dargestellt: Die Grafik zeigt zwei verschiedene Personen reich“ (bzw. TIR oder Time in Range) in der Diabetolo- mit demselben HbA1c, aber unterschiedlicher Variabili- gie immer populärer. Dies geht mit der immer verbreite- tät und unterschiedlichen hohen und niedrigen Zucker-
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Julia Mader
NEUE PARAMETER IM BEREICH DER
  teren Anwendung von kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) einher. Denn die kontinuierliche Glukosemessung kann nicht nur aktuelle Zuckerwerte und Trends darstel- len, sondern zeichnet diese Werte auch über den Zeitraum der Anwendung auf. Somit dient ein CGM-System nicht nur der aktuellen Therapieanpassung von Menschen mit Diabetes, sondern kann von den behandelnden Ärzt*in- nen und Diabetesberater*innen genutzt werden, um die Diabeteseinstellung in der letzten Zeit zu betrachten.
Dazu werden die Sensordaten über entsprechende Soft- ware der Hersteller beim Klinik- bzw. Ordinationsbesuch ausgelesen. Das Auslesen bzw. Betrachten der Daten kann auch telemedizinisch erfolgen, sofern die Person mit Di- abetes dem Betreuerteam Zugang zu den CGM-Daten gestattet. Dies ist insbesondere bei der Anwendung eines CGM-Systems mit dem Smartphone gut möglich.
Die CGM-Daten werden dann durch die Software in Berichten zusammengefasst, die mehrere wichtige Pa- rameter enthalten und von der Software automatisch dargestellt werden. Daher ist es besonders wichtig, dass Menschen mit Diabetes und das betreuende Diabetes- team mit diesen Parametern vertraut sind.
WARUM IST DIE ZEIT
IM ZIELBEREICH WICHTIG?
Die Zeit im Zielbereich und die weitere Analyse der CGM-Daten sagen mehr über die Diabeteseinstellung aus als der HbA1c-Wert, da dabei auch die Variabilität der Glukose sowie hohe, im Zielbereich gelegene und tiefe Zuckerwerte einfließen. Der HbA1c-Wert stellt die Di- abeteseinstellung der letzten 2–3 Monate dar, kann aber von verschiedenen Faktoren beeinflusst wer-
den (z. B. Schwangerschaft, Anämie, Nierener- krankungen, Erkrankungen der roten Blut- körperchen) und dadurch falsch hoch
oder falsch niedrig sein. In Grafik
1 ist die Limitierung des HbA1c
werten. Bei der Beurteilung rein anhand des HbA1c wird diesen Schwankungen nicht Rechnung getragen. Oft wird ein niedriger HbA1c-Wert durch Hypoglykämien erreicht. Diese Hypoglykämien werden bei fehlender CGM und nur seltenen kapillären Messungen oft gar nicht erkannt und sind ebenso schädlich wie langfristig zu hohe Zucker- werte. Wichtig ist dabei auch, dass der Sensor gut funkti- oniert (das heißt wenig Abweichung vom Blutzucker hat) und dass die aktuellste Software am Smartphone bzw. Lesegerät verwendet wird, da ansonsten falsche Werte ge- messen und die Abschätzung der glykämischen Kontrolle basierend auf den CGM-Werten dementsprechend auch nicht korrekt ist. Daher ist in vielen Fällen eine Interpreta- tion der Sensordaten gemeinsam mit dem HbA1c sinnvoll.
WIR KANN MAN DIE ZEIT IM ZIELBEREICH MESSEN UND INTERPRETIEREN?
Um die Diabeteseinstellung gut beurteilen zu können, sollten mindestens 14 Tage CGM-Daten
verfügbar sein. Weiters sollten in die-
sem Zeitraum mindestens in 70 %
der Zeit Daten aufgezeich- net worden sein, um eine sinnvolle Interpreta-
tion zu ermögli-
chen.
  MEIN LEBEN 3/2021 | 45











































































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