Page 8 - Mein Leben, Ausgabe 3 2021
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HALLO DOC! | Fragen an unseren Diabetes-Experten
Prim. Dr. Christian Schelkshorn
Injektionstherapie
bei Diabetes mellitus Typ 2 muss nicht immer
Insulin sein
GLP-1-Agonisten können mehr als „nur“ Blutzucker senken!
In der Therapie unserer PatientInnen mit Diabetes Typ 2 waren lange Zeit zwei verschiedene Tablettenformen (Metformin und Sulfonylharnstoffe) gefolgt von Insu-
lin die gesamten medikamentösen Möglichkeiten, die wir in der Behandlung zur Verfügung hatten. Heute haben wir nicht nur sehr spannende weitere Tabletten in un- serem „Medikamentenkoffer“, neue spannende Insuline (weil weniger Hypoglykämie provozierend, stabiler in der Wirkung, damit auch berechenbarer), sondern vielmehr eine ganze innovative Gruppe an Injektionstherapien, die keine Insuline beinhalten und weit mehr als nur BZ senken können. Wir sprechen dabei von der Familie der GLP-1-Agonisten.
Dabei handelt es sich auch um ein Hormon, das sogar ähnlich klingt. Es gehört zur Gruppe der Inkretine. Die- ses Hormon beeinflusst viele Bereiche in unserem Kör- per. Es regt die sogenannte Betazelle der Bauchspeichel- drüse an, Insulin auszuschütten, und hemmt gleichzeitig die Ausschüttung von Glukagon, dem Gegenspieler von Insulin aus der Alphazelle ebendieses Organes. Zusätzlich wird die Magenentleerung verlangsamt und dadurch der allzu rasche BZ-Anstieg nach einer Kohlenhydratmahl- zeit (BE) verzögert. Einen der wichtigsten Begleiteffekte zeigt dieses Hormon allerdings auf das Appetitzentrum, da es dieses Zentrum blockierend beeinflusst und somit
sowohl eine Appetitreduktion als auch ein früheres Sättigungsgefühl zu erreichen hilft.
Es stehen uns heute mehrere Möglichkeiten in dieser The- rapieschiene zur Verfügung, wobei vor allem zwischen der einmal täglichen und der einmal wöchentlichen „Spritze“ unterschieden werden muss. Drei Substanzen werden hier aktuell in erster Linie eingesetzt. Liraglutid (Victo- za®), Dulaglutid (Trulicity®) und seit Kurzem am Markt die Weiterentwicklung – auch Semaglutid (Ozempic®) stehen uns dabei zur Verfügung. Die heute eher nur mehr sehr selten eingesetzten Substanzen Exenatid (Byetta® und Bydureon®) und Lixisenatid (Lyxumia®) seien der Vollständigkeit halber jedoch auch erwähnt. Von allen drei häufiger verwendeten Substanzen erwarten wir die oben genannten Effekte auf den Blutzucker und die be- schriebenen positiven Zusatzeffekte im Bereich der Ver- dauung und des Appetites.
Die Anwendung dieser Therapieoption hat zusammen- gefasst hinsichtlich der BZ-Einstellung mehrere in der Alltagspraxis gut dokumentierte Erfolge aufzuweisen. Allen voran führt eine zeitgerechte Einbindung dieser Substanzen, das heißt bei noch ausreichender Insulin- restfunktion, zu einer eindrucksvollen Verbesserung der BZ-Stoffwechsellage (deutlich besser als mit den Tablet- ten aus der DPP4-Hemmer-Gruppe, die den Abbau des körpereigenen Inkretins verzögert). Gleichzeitig beob- achten wir den sehr positiven Effekt auf die Gewichts- situation. Da das Übergewicht bzw. die Adipositas bei vielen unserer von Diabetes Typ 2 Betroffenen eines der zentralen „Begleitprobleme“ darstellt, ist dieser positive Zusatzeffekt natürlich von allergrößtem Vorteil. Bisher
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