Page 24 - Mein Leben, Ausgabe 3 2021
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  IM GESPRÄCH MIT...
   ALICE KROBOTH
DIPLOMIERTE GESUNDHEITS- UND KRANKENPFLEGERIN SOWIE MAS-DEMENZTRAINERIN
über Erfahrungen und Notwendigkeiten rund um die Begleitung von Demenz-Betroffenen und deren Familien.
ML: Ganz allgemein, wie ist der Stand der Wissen- schaft zu Demenz? Wo liegt der Unterschied zwi- schen „Vergesslichkeit im Alter“ und „schleichen- der Demenz“? (Zur Erläuterung, dies wird fallweise in Leserfragen thematisiert.)
Alice Kroboth: Trotz vieler und umfangreicher For- schungen ist die Erkrankung Demenz derzeit leider noch nicht heilbar. Im Rahmen eines Treffens der acht ein- flussreichsten Industrienationen 2013 in London haben sich diese zu Anstrengungen, Interventionen und Un- ternehmungen gegen die Zivilisationskrankheit Demenz verpflichtet. Bis zum Jahr 2025 soll ein wirksames Medi- kament zur Heilung von Demenz bzw. ein Präparat zur deutlichen Linderung der Symptome und Steigerung der Lebensqualität entwickelt werden.
Die Vergesslichkeit im Alter ist eines der ersten Warn- zeichen für eine Demenz. Sie ist aber auf keinen Fall mit der Erkrankung Demenz gleichzusetzen. Im phy- siologischen Alterungsprozess tritt eine Verlangsamung auf körperlicher und geistiger Ebene als normale Be- gleiterscheinung auf.
Kognitive Beeinträchtigungen und Störungen treten bei einer Vielzahl von älteren Menschen auf. Häufig sind es Symptome verschiedener Krankheitsbilder oder auch Nebenwirkungen von diversen Behandlungen. Deshalb ist die Diagnose einer Demenz oftmals sehr schwierig
und bedarf einiger Basisuntersuchungen, die unbedingt durchgeführt werden müssen. Eine Diagnose ist deshalb so wichtig, da das verminderte geistige Leistungsvermö- gen zwar nicht zwingend, aber mit erhöhter Wahrschein- lichkeit, einer Demenz vorangehen kann.
ML: Was es für Betroffene von Demenz bedeutet, den Alltag immer schwieriger ohne Unterstützung meistern zu können, ist vielen von uns bewusst. Wie sieht es aber eigentlich mit den Partnern und Fami- lien dieser Menschen aus?
Alice Kroboth: In Österreich werden ca. 80 % der pfle- gebedürftigen Menschen im privaten Umfeld durch die Familie gepflegt und betreut. Dies führt unweigerlich zu Verschiebungen im Familiensystem – Partner oder Ange- hörige werden plötzlich zu Betreuungspersonen.
Aufgrund dieser neuen Rolle besteht die Gefahr, dass das eigene Leben der Betreuungsperson in den Hintergrund rückt. Oftmals geben pflegende Angehörige ihre eigenen beruflichen Ambitionen oder Träume aufgrund des Be- treuungsbedarfes des Menschen mit Demenz auf.
Eine der größten Belastungen von pflegenden Angehö- rigen ist die Akzeptanz des Verlustes des intellektuellen und emotionalen Austausches mit der demenzerkrankten Person. Obwohl die geliebte Person noch da ist, verän- dert sich die gewohnte und vertraute Persönlichkeit. Für
Im Gespräch mit
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