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Interpretation kontinuierlicher Glukosemessung

Bewegung (sprechen wir nicht gleich von Sport) ist für uns alle einer der wichtigsten Pfeiler in der Gesundheitsvorsorge. Es gibt kein Medikament, das einen höheren therapeutischen Wert hat als regelmäßige körperliche Aktivität. Alle unsere Organsysteme, seien es Herz, Lunge, Gehirn, Knochen, also unser Körper als Ganzes profitiert von physischer Aktivität, und die Effekte sind langanhaltend, das bedeutet auch eine Verbesserung der Lebensqualität und des Alterns. Besonders für Kinder und Jugendliche spielt auch noch die sozialintegrative Wirkung eine bedeutende Rolle. Warum sollte das nicht für Menschen mit Diabetes genauso gelten? 

Physiologie des Muskelstoffwechsels


Die Kontraktion der Muskelzellen (wir sprechen hier von der peripheren Skelettmuskulatur) verbraucht Energie, auch in Ruhe (Energiegrundumsatz). Die primäre Energiegewinnung erfolgt aus dem Zuckerspeicher der Muskelzellen, gefolgt von einer Aufnahmesteigerung des im Blut zirkulierenden Zuckers über die Muskelzellmembran. Die Muskelkontraktionen fördern die Zuckereinschleusung, und damit sinkt der Blutzucker. Dieser Vorgang läuft insulinunabhängig ab. Die Muskelkontraktion entspricht deshalb der physiologischen Insulinwirkung. Damit es nicht zu einem zu starken Blutzuckerabfall kommt, wird von der Leber (Leberglykogen), durch Fettoxidation (Zuckergewinnung aus den Fettreserven) oder durch mit der Nahrung zugeführte Kohlenhydrate gegengesteuert. Gleichzeitig wird auch die Insulinproduktion aus der Bauchspeicheldrüse gedrosselt. Gegenregulatorische Hormone, wie Glukagon, Katecholamine (Adrenalin ...) und Cortisol wirken mit. Zugegeben, die Sache ist noch viel komplexer, aber für unser Verständnis sollte diese Darstellung für die folgenden Ausführungen reichen. 


Was ist nun beim Diabetes anders?


Die Blutzuckerregulation über die Bauchspeicheldrüse fehlt, je nach Diabetesdauer teilweise oder gänzlich. Insulin wird entweder über Pen oder Pumpe subkutan verabreicht. Die Einheitenmengen für Basalinsulin und Bolusinsulin sind vorgegebene Richtwerte, die in der Regel noch keine sportlichen Aktivitäten berücksichtigen. Wie viel oder wie wenig Insulin wir beim Sport brauchen, wird erst in der Praxis eruiert. 


Da körperliche Aktivitäten zu verstärkten Blutzuckerschwankungen führen, ist es nicht einfach, den gewünschten Zielbereich von 70 bis 160 (180) mg% einzuhalten. Die Blutzuckerwerte sind abhängig von dem Verhältnis von Energieverbrauch (Intensität und Dauer der körperlichen Beanspruchung), Energiezufuhr, Basalinsulin und gegenregulatorischen Hormonen, Tageszeit, äußeren Einflüsse wie Temperatur, Ruhepausen … man kann sagen, von vielen Faktoren, also ein multifaktorielles Problem.  

glukose grafik

​Eine (unerwünschte) Gratwanderung zwischen Hyper- und Hypoglykämie kann die Freude am Sport vermiesen.  


Es ergeben sich daher viele Fragen, die vor, während und nach einer sportlichen Aktivität beantwortet werden müssen.


  • Blutzucker? Aceton?

  • Wann Sport?

  • Wie lange und wie intensiv Sport?

  • Wie viel und welches Insulin wirkt dann?

  • Wie lange wirkt der Sport auf den Organismus nach?

  • KH-Zufuhr ja oder nein?


Die Glukosemessung steht somit im Fokus, und es hat in den letzten Jahren kaum einen besseren Fortschritt für die DM1-Behandlung gegeben als die kontinuierliche Glukosemessung (CGM). Dadurch ist es möglich, ein Muster oder einen Trend (Trendpfeile) zu erkennen. Wir können Blut-
zuckerabfall, Blutzuckerstabilität oder BZ-Anstieg verschiedenen sportlichen Belastungen zuordnen.


Aerobe Sportarten, wie Joggen, mit nicht zu hoher Intensität (man kann noch während der Belastung miteinander reden oder „Laufen ohne Schnaufen“) lassen den Blutzucker abhängig von der Dauer absinken. Sportarten von variierender Intensität und Dauer bilden eher einen stabilen Blutzuckerspiegel ab. Anaerobe Sportarten mit hoher Herzfrequenz bewirken meistens einen Blutzuckeranstieg, verursacht durch den Anstieg von Katecholaminen, die Insulinwirkung wird reduziert. Die erhöhten Blutzuckerwerte bestehen oft noch Stunden nach der Belastung. (Abb. 1)


Die Erfassung der Gewebezuckerwerte rückblickend, aktuell, aber auch vorausschauend (Trendpfeile) ermöglicht es, Therapieanpassungen zeitnah zu berücksichtigen, stellt aber auch für geplante Aktivitäten einen Lernprozess dar („Trial and Error“).


Therapieanpassungen vor dem Sport sind die wichtigsten Maßnahmen und erfolgen entsprechend dem zu erwartenden Glukoseverlauf. Die wichtigste Komponente ist die Adaption der Insulinzufuhr, natürlich abhängig von der Therapieform, ob mit dem Pen (FIT) eher die prandiale Insulinzufuhr angepasst wird oder bei Pumpentherapie (CSII) auch über die Basalrate gesteuert wird.


Bei zu erwartendem geringem Glukoseabfall Reduktion des prandialen Insulins um 25 %, bei moderatem Abfall minus 50 % und bei hohem oder raschem Glukoseabfall minus 75 %. 


Verschiedene Belastungsarten lassen gewisse Glukosetrends erwarten (Abb. 1) und sollten gerade für Diabetiker mit höheren sportlichen Erwartungen in ihrer Therapieanpassung berücksichtigt werden. Es ist sicher von Vorteil, dann mit dem betreuenden Diabetologen (gut wären gleichzeitige Sportmediziner, Sportwissenschafter) Trainingspläne zu erarbeiten. Mit den technischen Möglichkeiten in der Dokumentation sind heutzutage beinahe perfekte Möglichkeiten gegeben und erfolgversprechende Beratungen möglich.


Besonders bei längerer sportlicher Aktivität kennen Leistungssportler ohne Diabetes auch den Begriff: „Glycemic Threshold Carbohydrate Consuming“ (GTCC).

Das bedeutet die Zufuhr kleiner Mengen an Kohlenhydraten während der Belastung, dadurch bleibt der Blutglukosespiegel konstanter, und es kommt nicht so leicht zu einem Leistungseinbruch. Mit dem CGM ist es leichter, das Gleichgewicht zwischen Insulinkorrektur und KH-Zufuhr herzustellen. So können bei entsprechender Schulung und Anwendung der CGM tolle sportliche Leistungen erbracht werden, wie man anhand der vielen prominenten Leistungssportler mit Diabetes nachlesen kann.


Zusammenfassung:


CGM hat im Speziellen für Menschen mit DM1 die Möglichkeiten verbessert, Sport im Alltag auch spontan und flexibel zu gestalten. Gerade diese Spontanität bringt bei Kindern und Jugendlichen Vorteile mit sich. Die Sportintensität beeinflusst den Blutzuckerverlauf und die Gratwanderung zwischen Hyper- und Hypoglykämie, d. h., extreme BZ-Schwankungen mit ihren Nachteilen können vermieden werden. 

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