10 ist das neue 12

Vor allem Menschen mit funktioneller bzw. intensivierter Insulintherapie nutzen bis dato in Österreich die etablierte Broteinheit (BE) für die Abschätzung der Kohlenhydratmenge in Getränken und Speisen. Ein möglichst korrektes Schätzen ist Voraussetzung für die Ermittlung der Insulinmenge, um so den Blutzucker im Normalbereich zu halten. Die BE beschreibt die Menge eines Lebensmittels, die 12 g Kohlenhydrate enthält. So liefert zum Beispiel eine halbe Scheibe Vollkornbrot mit etwa 30 g durchschnittlich 12 g Kohlenhydrate und entspricht deshalb einer BE. In so genannten BE-Tabellen sind kohlenhydrathaltige Lebensmittel angeführt und dienen als hilfreiches Nachschlagewerk für den Alltag.


Trotzdem hat die BE einige Makel, die aktuell im Fokus stehen und nach einer Optimierung verlangen. Die mittlerweile veraltete, häufig missinterpretierte Bezeichnung „Broteinheit“ wird in Österreich nun durch die international verwendete „Kohlenhydrateinheit“ (KE) ersetzt. Sie enthält 10 g Kohlenhydrate und kann mithilfe der Kohlenhydratangabe in Gramm auf Verpackungen rasch und meist ohne Taschenrechner berechnet werden.


Die internationale Vergleichbarkeit ermöglicht Therapien und Schulungen in einheitlichem Wording über die Grenzen hinweg. Dies ist für Betroffene und das behandelnde Team von Vorteil und ermöglicht unter anderem die Verwendung standardisierter Schulungskonzepte und -materialien.


Neues Schulungstool des Verbands der Diaetologen Österreichs hilft bei der Umstellung


Da die BE-Tabellen reformiert gehören, nutzte der Arbeitskreis „Ernährung und Diabetes“ vom Verband der Diaetologen Österreichs die Gunst der Stunde, um eine weiterentwickelte und international gültige Beratungshilfe für Menschen mit Diabetes zu schaffen.


Die neue Tabelle stellt nicht nur eine Umrechnungshilfe dar, sondern geht vor allem auf die Qualität der Kohlenhydrate ein. Diese Information ist deshalb so wichtig, da verschiedene kohlenhydrathaltige Lebensmittel unterschiedlich rasch in das Blut aufgenommen werden. Einen großen Einfluss nehmen zum Beispiel die beinhalteten Ballaststoffe, der Verarbeitungsgrad oder die Menge an Fetten und Proteinen im Lebensmittel. Somit gibt die neue Kohlenhydrattabelle erstmals Informationen zur blutzuckersteigernden Wirkung eines Lebensmittels (glykämischer Index – „GI“) sowie zum Verhältnis von Kohlenhydraten zu den Ballaststoffen („KH:Bst-Ratio“). In ansprechender Form mit Ampelfarben und Smileys wird eine übersichtliche Bewertung – nach bestimmten Kriterien – vorgenommen und erleichtert damit die Auswahl an geeigneten Lebensmitteln (Tab. 1). Expert:innentipps werden zusätzlich für jede Lebensmittelgruppe in einer Infobox angeführt, die durch den GI und die KH:Bst-Ratio nicht ausreichend beschrieben werden können.


Zudem werden die Kohlenhydrate in Gramm pro 100 g angegeben. Das ist besonders günstig für moderne Pumpen- und Blutzuckermesssysteme, die bereits in ihrer Grundeinstellung die Möglichkeit bieten, die gegessenen Mahlzeiten nicht mehr in Einheiten, sondern vereinfacht in Gramm an Kohlenhydraten einzugeben. Damit ersparen sich sowohl betreuende Ärztinnen und Ärzte als auch Betroffene einen Rechenschritt.


Wie geht es weiter?


Generell ist die weitere Berechnung mit BE möglich, und es muss nicht zwingend eine Umstellung erfolgen. In den kommenden Jahren wird voraussichtlich parallel zum gewohnten System der BE die Einschulung auf KE verlaufen und die Notwendigkeit der Anwendung einer KE-Berechnung für Patient:innen individuell entschieden werden. Sinnvoll erscheint die Schulung auf KE vor allem bei neudiagnostizierten Personen mit Typ-1-Diabetes.


Die schrittweise Umstellung und Schulung der KE soll zudem durch die Gestaltung eines großen Plakats mit Bildern der verschiedenen Lebensmittel unterstützt werden, das gerade im Entstehen ist.


Die neue KE-Tabelle kann über den Verband der Diaetologen (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) bzw. über die betreuenden Diabetesambulanzen und Diätologinnen und Diätologen bezogen werden.


Autorinnen:
Katharina Bergmann, BBSc

Manuela Cashmore, BSc MSc

Janette Entstrasser, BSc MSc

Dr. Schelkshorn

Prim. Dr. Christian Schelkshorn

seit 40 Jahren Typ-1-Betroffener 
seit 24 Jahren Internist und Diabetologe

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