Es ist nichts Neues, wenn man die Pubertät als eine schwierige Zeit für den heranwachsenden Jugendlichen und seinen Eltern bezeichne, unabhängig vom Diabetes. Aber mit Diabetes….
Was bedeutet denn das Wort Pubertät: es kommt vom lateinischen pubertas „Geschlechtsreife“ – also ein Lebensabschnitt der zur Entwicklung des fortpflanzungsfähigen Körpers führt.
Die Geschlechtshormone:
Diese Zeit wird durch die Ausschüttung von Geschlechtshormonen bestimmt. Mädchen brauchen dafür das Hormon Östrogen, Buben das Hormon Testosteron. Östrogen und die Follikelhormone werden hauptsächlich in den Eierstöcken (Ovarien) produziert, Testosteron in den Hoden.
Die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gibt dabei das Kommando, sendet also ein hormonelles Signal an die Organe, die dann die Geschlechtshormone produzieren und ins Blut ausschütten. Deren Wirkung führt zu den typischen Veränderungen im äußeren Erscheinungsbild durch die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale (Körperbehaarung, Bartwuchs, Brustentwicklung, etc.). Bei Mädchen beginnt in der Pubertät die Menstruation (Menarche) bei den Knaben die Spermienproduktion (Spermarche).
Die Dauer der Pubertät ist individuell unterschiedlich, bei den Mädchen etwa zwischen dem 10. bis zum 18. Lebensjahr, bei den Jungen beginnt die Pubertät etwas später im 12. Lebensjahr und dauert bis zum 21. Lebensjahr. Für den Diabetiker ist diese Zeit deshalb schwieriger als für Kinder ohne Diabetes, weil die vermehrte Ausschüttung der Geschlechtshormone die Insulinwirkung herabsetzt, also diabetogen wirkt. Um eine gute Stoffwechseleinstellung zu erreichen, wird daher mehr Insulin benötigt. Außerdem wechseln die Konzentrationen im Tagesrhythmus, d.h. es kommt zu schwankenden Blutzuckerwerten.
Das Wachstumshormon:
Damit noch nicht genug, kommt noch ein weiteres Hormon ins Spiel: nämlich das Wachstumshormon (WH). Es gibt mehrere Bezeichnungen: HGH (Human Growth Hormon), STH (SomatoTropes Hormon). Dieses wichtige Hormon wird in der Pubertät vermehrt ausgeschüttet und bestimmt die Wachstumsschübe. Die Bildung erfolgt wiederum in der Hirnanhangsdrüse im Hypophysenvorderlappen (HVL). WH entfaltet seine Wirkung am Muskel, in der Leber, in Knochen, Niere und Knorpel. Ein Mangel an Wachstumshormon führt zum Minderwuchs.
Auch dieses Hormon setzt die Insulinwirkung herab, ist also diabetogen. Wir wachsen in der Nacht und die meiste Ausschüttung erfolgt in den Morgenstunden, zum Leidwesen der Diabetiker, da dadurch die Morgenblutzucker erhöht sein können. Dies ist als Sonnenaufgangsphänomen ( DAWN-Phänomen) allen ein Begriff.
Das Wachstumshormon wird, um es ganz kompliziert zu machen, pulsatil abgegeben, d.h. nicht kontinuierlich, sondern schwankend, daher ist dann eine Vorhersage für den Morgenblutzucker schwierig und von Tag zu Tag variierend. Mädchen haben den größten Wachstumsschub vor der ersten Regelblutung, Buben mit ca. 14 Jahren.
Was tun?
Abhängig von der Insulintherapie kann man bei einer Funktionellen Insulintherapie das Basalinsulin am Abend anpassen, auch ein sogenannter „Morgengupf“ kann eine Option sein. Bei einer Insulinpumpentherapie wird man versuchen, die Basalrate in den Morgenstunden anzuheben. Entscheidend sind natürlich (was sonst?) die erhobenen Blutzuckerwerte.
Häufig empfehlen wir Diabetologen eine Blutzuckerbestimmung um 2 Uhr oder 3 Uhr morgens. Das ist logischerweise nicht sehr beliebt – da ja in der Nacht – und es bedeutet eine gestörte Nachtruhe für Eltern und Kind.
Wer eine Flash Glukose Messung (freestyle libre) oder noch besser eine CGM (Continuierliche Glukose Messung) zur Verfügung hat, ist besser dran, weil man nicht nur punktuelle Werte erfasst, sondern den Verlauf des Gewebezuckers gezeigt bekommt. Die sogenannte Glukosesensor-unterstützte-Insulinpumpentherapie, womöglich mit Hypoglykämie Abschaltung, stellt schon Luxusbedingungen dar, ist aber sicherlich die Zukunft der Diabetestherapie.
Pubertät und HbA1c:
Es ist meistens so, dass bis zum Beginn der Pubertät die Stoffwechsellage durchschnittlich gut in den Griff zu bekommen ist. Der HbA1c Wert liegt im Mittel um 7,5% und darunter. Mit Beginn der Pubertät verschlechtern sich die mittleren Blutzuckerwerte zusehends. Das therapeutische Bemühen wird durch viele Einflüsse, nicht nur durch die oben genannten Hormone, gebremst und so liegt der durchschnittliche HbA1c Wert bei 8,4%. Das soll nicht bedeuten, dass man nicht alles Mögliche versucht. Doch in diesem Konzert der Hormone, Gefühle, und was sonst noch diese Entwicklungsstufe ausmacht, ist es wichtig, Ruhe zu bewahren. Auch die Pubertät geht vorbei und wenn die Richtung stimmt, dann auch ohne gesundheitliche Folgen.