Sport ist gesund. Ja, ja. Aber wenn man von Haus aus eher unsportlich ist, dann bedarf es einer ziemlichen Überwindung, damit anzufangen. Aber man kann es ja versuchen. Daher gehen mein innerer Schweinehund und ich heute Radfahren.
„Nur wenn du weißt, was in dir drin steckt, kannst du auch erkennen, was du aus dir herausholen kannst!“ „Stimmt! Es ist allein dein Körper, der die Grenzen festsetzt.“ „Da hilft nur Ausdauertraining. Das ist die Basis für die Leistungsfähigkeit.“ „Aber bloß nicht überpowern!“ „Und natürlich darf man auch das Material nicht vergessen.“ „Eh klar! Ohne das richtige Material geht gar nichts. Habe meinem Bike für diese Saison extra neue Komponenten spendiert. Mein lieber Schwan, da habe ich mal so richtig abgelegt. Aber du wirst sehen ... oder besser gesagt: du wirst mich bei unserer nächsten Tour nur noch von hinten sehen!“ „Das glaubst aber auch nur du! Bei der ersten Steigung habe ich dich abgehängt, und du schaust alt aus.“ ...
Sie lasen soeben einen kleinen Auszug aus einer abendfüllenden Unterhaltung meiner beiden Freunde Bernd und Fred aus dem Frühjahr dieses Jahres. Fanden Sie sie genauso langweilig wie ich? Dann haben Sie wohl ebenfalls mit dem Radfahren nicht allzuviel am Hut. Aber weil die beiden gute Freunde sind und weil sie – wenn es gerade nicht ums Radfahren geht – wirklich unterhaltsam sind, bin ich nicht schon nach einer Viertelstunde sondern erst nach vier Stunden nach Hause gegangen.
Radfahren ist nicht langweilig
„Und? Wie war’s mit Bernd und Fred heute?“, fragte mich, daheim angekommen, die liebe Frau. „Langweilig“, brummte ich. Sie schaute mich wissend an und fragte: „Radfahren?“ Ich nickte. „Aber Radfahren ist gar nicht langweilig!“, ereiferte sich die liebe Frau. Ich stöhnte. Wohl wissend, was jetzt noch auf mich zukommen würde, und das, obwohl ich von dem Thema heute schon mehr als genug abbekommen hatte. „Radfahren ist gut zur Entspannung und hilft gegen Stress, es verbessert den Muskelaufbau, es lässt dich besser schlafen und hilft das Risiko von Krankheiten zu mindern. Und zwar immerhin so schlimme wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Typ-2-Diabetes!“ Die Gute war jetzt ziemlich in Fahrt. „Es lässt mich besser schlafen?“, fragte ich erfreut. Ich erntete einen vernichtenden Blick. „Das ist das Einzige, was dich interessiert? Nicht etwa die Tatsache, dass es hilft, Fettleibigkeit vorzubeugen?“ Sie zwickte mich in mein Hüftgold. „Außerdem kommst du ein bisschen unter die Leute und an die frische Luft.“ „Aber einfach nur so ziellos durch die Gegend zu radeln finde ich nun mal langweilig“, maulte ich. Die Lösung der lieben Frau: „Du kannst ja mit dem Rad zur Arbeit fahren.“ Ich starrte sie ein wenig ungläubig an: „Du weißt aber, dass ich von zu Hause aus arbeite, oder?“ Einmal mehr ignorierte die liebe Frau einen meiner berechtigten Einwände. „Immerhin hast du ja ein Fahrrad. Es wird Zeit, dass du es auch wieder einmal etwas bewegst. Also hol es schon einmal heraus.“
Nicht der Weg ist das Ziel
Gehorsam, aber leise vor mich hin grummelnd, stieg ich in Begleitung des Dackels die Treppe in unseren Keller hinab, wo meiner Erinnerung nach mein Fahrrad die letzten Jahre sein Dasein gefristet haben sollte. Tatsächlich fand ich es auch in der hintersten, dunkelsten Ecke des Kellers. Ich wuchtete es hinter den Kisten mit mutmaßlichem Sperrmüll hervor und zerrte es ans Licht. Es sah erbärmlich aus und hatte seine besten Jahre definitiv hinter sich. Und zwar schon seit geraumer Zeit. Die Reifen platt und der Gummi porös, Rost, wohin man schaute (vom Dreck gar nicht erst zu reden), die Kette schlaff durchhängend und natürlich auch verrostet, alles, was sich drehen sollte, quitschte, und von der Funktionsfähigkeit der Bremsen und der Beleuchtung brauchte ich mich gar nicht erst zu vergewissern, weil diese schlicht nicht mehr vorhanden waren. Meine Begeisterung für das Radfahren war im wörtlichsten Sinne im Keller. Nur der Dackel war ganz aus dem Häuschen. Er konnte es wohl nicht fassen, dass wir nach so langer Zeit wieder einen Ausflug mit dem Rad machen würden.
Tatsächlich hatten wir, als er noch recht jung war, hin und wieder kleinere Ausflüge gemacht. Überhaupt war ich in meiner Kindheit und Jugend sehr viel mit dem Fahrrad unterwegs. Das war auch nötig, wenn man auf dem Land aufwuchs. Denn um irgendwo hin zu kommen, sei es zur Schule, zu Freunden oder zu der hübschen Kleinen im nächsten Dorf, war man mehr oder weniger auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen. Dieser änderte sich natürlich mit Erreichung des 16. Lebensjahres und dem ersten Moped. Aber bis dahin bin ich sehr viel gestrampelt, und ich führe meine nach wie vor recht strammen Wadeln auf diese Tatsache zurück. Aber damals hatte man ja auch noch Ziele, die es zu erreichen galt, und fuhr nicht einfach nur des Fahrens willen einen Radweg auf und ab.
Die Begeisterung des Dackels kannte nunmehr keine Grenzen mehr, und mit lautem Gekläff holte er mich aus meinen Erinnerungen zurück in die Gegenwart. Und seine Begeisterung wirkte auf mich wie so oft ansteckend! Denn wenn weder die Drohungen der lieben Frau noch die eigene Gesundheit genügend Animo für sportliche Betätigung bieten, dann vielleicht der Bewegungsdrang des besten Freundes! Man braucht eben nur die richtige Motivation. Und ein Ziel. Der eine möchte gerne ein paar Kilos abnehmen, der andere seine Muskeln trainieren und ganz andere gerne besser schlafen (sic!). Und ich würde mit dem Dackel zum „Flohberg“ radeln. Da gibt es eine große Hundewiese für ihn und ein nahe gelegenes Wirtshaus für mich. Natürlich nur um dort einen isotonischen Durstlöscher und vielleicht eine kleine Stärkung
einzunehmen.
Ein neuer Drahtesel muss her
Also auf zum „Flohberg“! Aber nicht mit dieser alten Rostlaube! Ich schnappte mir den Dackel und eilte die Treppe hinauf in mein Büro, vor meinen Computer und ins Internet. Ich wollte mich gleich einmal ein wenig schlau machen, was denn zur Zeit auf dem Fahrradmarkt aktuell ist. Ziemlich viel, wie mir schien! Auf meine Frage „Fahrrad kaufen“ spuckte mir die Suchmaschine in 0,69 Sekunden 73.700.000 Ergebnisse aus. Ich würde meine Suche wohl ein wenig verfeinern müssen. Aber wo anfangen? Früher mal gab es Herrenräder, Damenräder und Kinderräder. Es gab Rennräder und Klappräder, und das war es dann auch schon im Großen und Ganzen. Die meisten waren von „Puch“ oder „KTM“, und wenn man, wie ich, eines von „Peugeot“ hatte, dann war das schon etwas Besonderes.
Auf die Frage „Welches Fahrrad kaufen?“, bekam ich die immerhin schon überschaubare Zahl von nur noch 31.300.000 Ergebnissen. Ich arbeitete mich also durch die ersten paar Tausend Suchergebnisse und stellte fest, dass sich die heutigen Fahrräder grob in Rennräder, City Bikes, Mountain Bikes, Trekkingräder, Fitness Bikes, Crossräder, Cyclocross und Gravelbikes sowie in BMX und Dirt Bikes unterteilen lassen und dass die meisten von Herstellern stammen, von denen ich noch nie gehört habe. Kurz überlegte ich, ob ich nicht Bernd oder Fred anrufen und um Rat bitten sollte, verwarf den Gedanken allerdings rasch wieder. Die Beratung der beiden „Profis“ würde viel zu lange dauern und wäre vermutlich unverständlich. Die Anfrage „Fahrrad Kaufberatung“ ergab nur lächerliche 10.100.000 Suchergebnisse, aus denen ich mir ein kompetent erscheinendens, mir zumindest namentlich bekanntes und vor allem nahe-
gelegenes Sportartikelgeschäft aussuchte, das ich am nächsten Tag zwecks wirklich professioneller Beratung aufsuchen wollte.
„Sagen Sie nichts! Ich weiß genau, was Sie suchen. Ein Fahrrad!“ Ich war begeistert von der Hellsichtigkeit und verblüffenden Auffassungssgabe des Beraters, der mir in der Fahrradabteilung beflissen entgegeneilte. Wie sich herausstellte, war der Herr wirklich kompetent und nahm sich viel Zeit für mich. Er redete mit mir über meine Erfahrungen mit dem Radfahren, meine Fitness, vermaß und wog mich sogar, erklärte mir die unterschiedlichen Fahrradtypen und erkundigte sich danach, wie ich denn das Fahrrad einzusetzen gedenke. Etwas stutzig machte mich die Frage nach meinen Vermögensverhältnissen, aber wie sich noch herausstellen sollte, war diese nicht ganz unberechtigt. Da ich über keinerlei Rennsportgene verfüge und auch nicht die Absicht habe, mich über Berge zu quälen, geschweige denn im Matsch zu wühlen, riet er mir zu einem Citybike, das mich aber nicht so ganz überzeugte. Mir gefielen die Gravelbikes mit den dicken Reifen besser. Restlos überzeugt hat mich dann die Frage: „Oder wollen Sie lieber ein ‚Pedelec’?“
Willkommen im Elektrozeitalter
Ich wollte! Auch wenn mich die liebe Frau ob der Tatsache, dass ich wesentlich mehr als nur ein gutes Monatsgehalt für meinen neuen fahrbaren Untersatz ausgegeben hatte, für verrückt erklärte und sich als Strafe für mich zum Friseur inklusive Maniküre verabschiedete. Egal. Der Dackel und ich waren glücklich mit unserem neuen Pedelec! Es ist wirklich komfortabel (auch dank des extraweichen Sattels, den ich mir zusätzlich gegönnt hatte), und der Dackel fühlt sich wohl in seinem Körbchen (natürlich auch ein Extra, so wie der Fahrradhlem und das Fahrradschloss), das auf dem Gepäckträger montiert ist. Es bringt uns fast mühelos zum „Flohberg“, und wenn wir wollten, wäre es auch für weitere Touren gut geeignet. Denn der verbaute Akku hält mit gutem Willen fast 200 Kilometer weit, was aber für mich eine völlig illusorische Strecke ist. Dafür ist es ideal für den innerstädtischen Bereich, und ich fahre damit jetzt sogar regelmäßig zum Einkaufen. Selbst Bernd und Fred sind mit meiner Anschaffung ob der hochwertigen Komponenten begeistert. Sie veralbern mich zwar als „Weich-
ei“ und „Sonntagsradler“, aber ich glaube, ein bisschen neidisch sind sie schon auch.
Es ist also gar nicht so schwer, mit dem Radfahren zu beginnen oder es für sich wiederzuentdecken. Radwege führen einen nicht nur mehr oder weniger sinnlos durch die Gegend, sondern auch tatsächlich zu einem Ziel. Was für mich besonders wichtig ist. Wichtig ist es auch, sich aufgrund der Vielzahl an verschiedenen Radtypen vor dem Kauf gut zu überlegen, was man damit machen möchte, sich wirklich gut informieren und beraten zu lassen und vor allem die Preise zu vergleichen! Es gibt immerhin auch ein großes Angebot an Gebrauchträdern oder man mietet sich – zum Ausprobieren – erst einmal ein Leihrad. Vor allem, wenn man Ärger mit der lieben Frau vermeiden will.