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Mein innerer Schweinehund und ich gehen Spazieren

Es war einer dieser Tage, die heute – mit ziemlicher Sicherheit klimabedingt – schon so selten geworden sind. Es war nicht mehr Sommer, aber auch noch nicht richtig Herbst. Die ersten Blätter schickten sich an, von den Bäumen zu fallen, und nach vielen heißen Sommertagen hatten sich wieder moderate Temperaturen angesagt. Es war Wochenende und daher ein Tag, den ich in meiner Erinnerung mit den Worten meiner Mutter verknüpfte: „Kommt, Kinder, lasst uns einen schönen Spaziergang machen!“


Was gegen solch ein Unterfangen sprach, war jedoch die Tatsache, dass es endlich nach Wochen wieder ordentlich regnete. Daher sprach alles dafür, diesen Tag gemütlich – mit einem guten Buch und mit dem Dackel auf dem Bauch – auf dem Sofa liegend zu verbringen. Was jedoch wiederum gegen dieses Vorhaben sprach, war die liebe Frau. „Willst du nicht einen kleinen Spaziergang machen? Ich denke, der Hund muss raus.“ Der Hund – der auch schon längst über die aktuellen Witterungsbedingungen im Bilde war – und ich schauten uns an und wussten, dass es sich dabei nur um ein äußerst kurzes Vergnügen handeln kann. Als geschulter Ehemann und halbwegs gehorsamer Hund war uns aber auch klar, dass es sich bei dem „Vorschlag“ der lieben Frau wohl eher um eine Aufforderung – wenn nicht sogar um einen Befehl – handelte. Also erhoben wir uns seufzend, schnappten uns, was man für solch eine Outdooraktivität braucht – Halsband, Leine, Gackerlsackerl für den Hund und adäquate Regenbekleidung für mich – und machten uns auf den Weg.


Unser Spaziergang dauerte – ohne Übertreibung – exakt 45 Sekunden. 5 Sekunden brauchte der Hund, um sich davon zu überzeugen, dass dies kein Wetter ist, um ihn vor die Tür zu jagen. Und die restlichen 40 Sekunden versuchte ich, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Was nicht einfach ist bei einem Dackel, der seine elementarsten Körperfunktionen derart gut unter Kontrolle hat, dass er in der Lage ist, sie beim ersten Regentropfen vorübergehend komplett einzustellen.


„Neuer Rekord?“, fragte die liebe Frau, nachdem sich der Hund die 5 Regentropfen, die er abbekommen hatte, demonstrativ aus dem Fell geschüttelt und ich meinen nicht einmal feucht zu nennenden Regenmantel auf den Garderobehaken gehängt hatte. „Das Wetter...“, versuchte ich zu erklären. „Ach was! Ihr seid einfach nur Bewegungsmuffel.“ Eine Erkenntnis der lieben Frau, die so neu nun auch wieder nicht war, aber auch nicht unwidersprochen bleiben sollte. Wenn denn Gelegenheit dazu gewesen wäre. Denn die liebe Frau setzte schon wieder zu einem Vortrag an: „Bewegung ist doch so wichtig! Zum einen für den Dackel und für dich sowieso. Wenn der Hund schon so unvernünftig ist, dann solltest wenigstens du doch an dein Herz, deinen Kreislauf, deine Lungenfunktion, deine Gelenke und ganz allgemein an deine Gesundheit denken.“ Ich hätte gerne etwas darauf erwidert, aber in Anbetracht meiner sportlichen Erfolge der letzten Jahre ließ ich es lieber bleiben. „Ich weiß“, fuhr die liebe Frau fort, „du hast schon so manches ausprobiert. Nicht immer sehr erfolgreich, wie ich hinzufügen möchte. Aber Spazierengehen wäre für dich wirklich ideal! Vor allem in deinem Alter.“


Das war aber jetzt ein Tiefschlag! „Ich bin doch nicht alt!“, entrüstete ich mich und begann zu schmollen. Die liebe Frau zuckte nur mit den Achseln und ließ mich alleine. Wohl, um mir Gelegenheit zu geben, über mein Bewegungspensum im Allgemeinen und das Spazierengehen im Besonderen in Ruhe nachdenken zu können.


Tatsache ist: Jede Bewegung zählt! Egal in welchem Alter und in welcher Form sie praktiziert wird. Man muss nicht zwangsläufig für den „Iron Man“ trainieren, den Mount Everest bezwingen oder olympische Goldmedaillen gewinnen. Vor allem, wenn man ohnehin nicht besonders sportaffin ist und auch den Aufwand scheut, den viele Sportarten mit sich bringen, sind solche Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt. Abgesehen davon, dass ohnehin nur die wenigsten von uns zu solchen Leistungen in der Lage wären.


Wider den Schweinehund!


Viel wichtiger ist es, den inneren Schweinehund zu besiegen und sich zu motivieren, etwas zu machen. Für seine Gesundheit und sein Wohlbefinden. Spazierengehen – auch wenn es vielleicht etwas an Seniorensport denken lässt – ist tatsächlich für alle Altersgruppen eine überlegenswerte Bewegungsart. Sie lässt sich ohne großen Aufwand jederzeit an jedem Ort praktizieren. Für einen Spaziergang bedarf es keiner besonderen Ausrüstung oder teuren Sportgeräten, keiner Mitgliedschaft in einem Verein oder Club, und zeitlich ist man höchst flexibel. Man kann nach dem Mittagessen gehen oder auch mitten in der Nacht. Und man kann einen Spaziergang auch sinnvoll kombinieren. Zum Beispiel, um in der Früh zum Bäcker zu gehen, um frische Semmeln für das Frühstück zu besorgen.


Ein Spaziergang tut gut!


Zum Beispiel für die Seele. Erinnert sich noch jemand an die Spaziergänge mit seiner Liebsten oder seinem Liebsten, wenn man gerade frisch verliebt war? Da konnte man doch stundenlang Hand in Hand spazieren. Tatsächlich hilft das Spazieren aber auch der mentalen Gesundheit. Besonders in der Natur – im Wald oder auch in einem Park – hilft es beim Stressabbau, hebt die Stimmung und reduziert das Risiko von Depressionen. Ja, laut Studien wirkt regelmäßiges Spazieren sogar in einem ähnlichen Maße wie eine medikamentöse Therapie!

Der größte Teil unseres Lebens spielt sich heutzutage in geschlossenen, klimatisierten Räumen ab. Deshalb sollte man jede Gelegenheit nutzen, um einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen, um Sonnenlicht zu tanken und damit die Vitamin-D-Produktion anzukurbeln.


Wir brauchen regelmäßige Pausen, um fokussiert und konzentriert arbeiten zu können. Ein Spaziergang hilft, den Kopf wieder frei zu bekommen, und fördert sogar die Kreativität. Und haben wir nicht schon immer gewusst, was man nach einem Essen tun soll? Ja, auch ich war immer eher für das Ruhen. Aber besser wäre es, 1000 Schritte zu tun! Denn ein Spaziergang regt die Verdauung an und verbrennt auch gleich ein paar Kalorien und kann so zur Gewichtskontrolle beitragen.


Und die liebe Frau hat natürlich auch ganz recht! Spazierengehen stärkt den Kreislauf und das Immunsystem. Gleichzeitig werden Blutgefäße gestärkt und das Herz trainiert, wodurch es leistungsfähiger wird und die Ausdauer steigert. Darüber hinaus wird das Risiko für Bluthochdruck und einen Herzinfarkt gesenkt.


Für die älteren Generationen – zu denen ich mich natürlich noch nicht zähle, wie ich nicht müde werde zu erwähnen – ist es sicher interessant, dass Spaziergänge auch das Sturzrisiko senken! Denn beim Spazieren werden alle Muskeln des Bewegungsapparats gleichermaßen genutzt und beansprucht. Das mindert Rückenprobleme und hilft gerade im Alter gegen den Muskelabbau. Der Körper wird stabilisiert, das Sturzrisiko somit gemindert und ein sicherer Tritt unterstützt.


Die einfachste und entspannteste Art, sich zu bewegen


Ich hatte mittlerweile ausreichend Zeit, um über das Spazierengehen und seine positiven Auswirkungen auf meine
Gesundheit und mein Wohlbefinden nachzudenken. Und um zu dem Schluss zu kommen, dass – auch wenn ein Spaziergang in unserer auf Produktivität und Effizienz ausgelegten Zeit etwas aus selbiger gefallen zu sein scheint – es die einfachste und entspannteste Art ist, um mir – und dem Dackel – etwas Gutes zu tun. Letzterer ist jedoch bei unseren mittlerweile täglichen Spaziergängen – und damit meine ich jetzt nicht die regelmäßigen Gassirunden – hin und wieder ein kleines Hindernis. Beziehungsweise erschwert er mir im wahrsten Sinne des Wortes meinen Spaziergang. Denn er ist – man verzeihe mir bitte das Wortspiel – ein fauler Hund! Und stur! Auch wenn es gerade nicht regnet – wenn der Dackel nicht will, dann geht er keinen Meter! Dann wird er halt getragen und geniert sich dafür kein bisschen. Im Gegenteil, er genießt die erhöhte Aussicht und das Spazierengetragenwerden!


Zu guter Letzt


Für alle, die das Spazierengehen als Sport noch immer ein wenig belächeln, sei angemerkt, dass der Unterschied zwischen Spazieren und Wandern gar nicht so groß ist. Und Wandern ist doch eine allgemein anerkannte Sportart. Je länger ein Spaziergang dauert und je schneller man geht, desto eher wird aus dem Spaziergang eine Wanderung. In sportmedizinischen Kreisen ist man der Meinung, dass jeder Spaziergang eine Wanderung ist, wenn man sich dabei mit fünf bis sechs Stundenkilometern fortbewegt.

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