Die Weihnachtsfeiertage und die Faschingszeit sind vorüber, und die alljährliche Flut an Zeitungsberichten, Blogartikeln und Werbemails zum Thema Fasten läutet das Ende der Völlerei ein. Der heurige Winter hat mit Lockdown und einem Bewegungsradius zwischen Schreibtisch, Bett und Couch zu einem besonders frustrierenden Ergebnis auf der Waage und bei der letzten Blutzuckeruntersuchung geführt. Wie verführerisch klingt da der Vorschlag, mit Intervallfasten, Saftfasten oder Basenfasten die Notbremse zu ziehen und seinem Stoffwechsel etwas Gutes zu tun. Die Berichte der Fastenanhänger klingen euphorisch: Vom Körper über die Seele bis hin zum Geist – Fasten soll für neue Ordnung und Klarheit sorgen. Es wird von Stimmungshochs, Kreativitätsschüben, besserer Verdauung und natürlich deutlich weniger Kilos auf der Waage berichtet. Sogar den Alterungsprozess soll das Fasten verlangsamen. Schnell wird der Vorsatz gefasst und eine Fastenbox im Internet bestellt. Doch was hat es damit wirklich auf sich? Ist Fasten nur ein weiterer Ernährungstrend, oder taugt es tatsächlich als Gesundheitstherapie?
Der Hype ums Fasten
Fasten ist tatsächlich eine uralte Form der Gesundheitsvorsorge. In allen Weltreligionen wird seit Jahrtausenden gefastet, und auch in der Medizin hat das Fasten eine lange, wenn auch recht widersprüchliche Tradition. Fastenkuren wie das Saft- und Suppenfasten nach Dr. Otto Buchinger oder die F.-X.-Mayr-Kur fanden zunächst schulmedizinisch lange Zeit wenig Beachtung. Doch neue wissenschaftliche Arbeiten zeigen klar die Gesundheitsvorteile von Fastenphasen. Der Zellbiologe Dr. Valter Longo, Professor für Biologie und Gerontologie an der University of Southern California, konnte 2012 belegen, dass Fasten gesunde Zellen stärkt und kranke Zellen schwächt. Vor allem bei Zivilisationskrankheiten, die durch ein generelles Zuviel verursacht werden, scheint Fasten eine ideale Therapieoption zu sein: Rheumaschmerzen werden gelindert, eine geschädigte Leber kommt wieder zu Kräften, vergrößerte Herzen arbeiten wieder ökonomischer, die Insulinsensitivität wird erhöht, Hunger- und Sättigungssignale werden wieder natürlich wahrgenommen. Die Gewichtsabnahme ist dabei nur ein Mitnahmeeffekt und nicht primäres Ziel des Fastens.
Die körpereigene Müllabfuhr
Fasten regt den Prozess der Autophagie, die körpereigene Müllabfuhr, an. Nach etwa zwölf Stunden ohne Nahrungsaufnahme beginnen sich unsere Zuckerspeicher in Muskeln und Leber zu entleeren. Dann wird vermehrt auf das Fettdepot zurückgegriffen. Das Fett wird in sogenannte Ketonkörper umgewandelt, die dann das Gehirn mit Energie versorgen. Daneben wird auch das Körpereiweiß zur Energiegewinnung herangezogen. Stoffwechselprodukte, die im Fett- und Bindegewebe abgelagert wurden, werden wieder abgebaut und ausgeschieden – vorausgesetzt, man trinkt genug und sorgt für einen regelmäßigen Stuhlgang.
Fasten als Therapie bei Diabetes
Eine zentrale Rolle bei der Entstehung einer Insulinresistenz, das heißt, dass die Körperzellen immer schlechter auf das Insulin ansprechen, spielt die Leber. Sie dient nicht nur zur Entgiftung, sondern ist eine Art Zwischenlager für Energie. Nehmen wir mehr Zucker auf als wir durch Bewegung wieder verbrauchen, wird dieser in Form von Glykogen und Fett in den Leberzellen zwischengespeichert. Bei dauerndem Überangebot wehrt sich die Leber gegen die zunehmende Verfettung, indem sie ihre Insulinempfindlichkeit herabsetzt und die Blutzuckerwerte zu steigen beginnen.
Das effektivste Mittel gegen eine Fettleber ist das Fasten. Wird Leberfett abgebaut, reagieren die Zellen wieder besser aufs Insulin. Das kann konkret bedeuten, dass nach einer Fastenkur weniger zuckersenkende Medikamente oder Insulin benötigt werden, da sich die Zuckeraufnahme und die Verarbeitung im Körper generell verbessern. Bei manchen Menschen normalisiert sich der Blutzuckerhaushalt sogar so weit, dass sie anschließend gar kein Insulin oder keine Medikamente mehr brauchen.
Mehrere Wege führen ans Ziel
Die älteste und intensivste Form des Fastens ist die klassische Heilfastenkur. Diese wird immer mit Entlastungstagen eingeleitet, an denen die Verdauung durch eine leichte Schonkost über 2 bis 3 Tage auf die bevorstehende Nahrungskarenz vorbereitet wird. Darauf folgt die eigentliche Fastenphase, über ein bis zwei Wochen, in der nur Gemüsebrühe, Tees und kleine Mengen an Obst- und Gemüsesäften zugeführt werden. Nach dem Fastenbrechen wird die Verdauung an den Aufbautagen wieder langsam an feste Nahrung gewöhnt.
Beim Intervallfasten, auch intermittierendes Fasten genannt, wird wiederkehrend in einem bestimmten Zeitintervall gefastet. Das kann bedeuten, dass man einen Tag nichts isst und am nächsten Tag wieder essen kann. Oder es wird täglich in einem bestimmten Zeitfenster von z. B. 16 Stunden gefastet und während 8 Stunden gegessen (= 16 : 8).
Eine erleichterte Form des Fastens, das speziell für Menschen mit Fettleber und Insulinresistenz entwickelt wurde, ist das Leberfasten nach Dr. Worm. Im Rahmen dieser zweiwöchigen Kur werden die drei Hauptmahlzeiten durch Formula-Diäten mit geringer Kalorien- und Kohlenhydratzufuhr und optimierter Eiweißaufnahme ersetzt. Zusätzlich wird zweimal täglich Gemüse gegessen.
Für alle Formen des Fastens gibt es Studien, die belegen, dass sie sich günstig auf den Diabetes auswirken. Welche Form für den Einzelnen ideal ist, hängt in erster Linie davon ab, was man am besten durchhalten kann. Klassisches Heilfasten oder Leberfasten wird kurmäßig ein- bis zweimal im Jahr durchgeführt. Intervallfasten kann, wenn man sich damit wohlfühlt, durchaus auch eine Dauerlösung werden.
Was muss ich beim Fasten bedenken?
Menschen mit Diabetes sollten eine Fastenkur nicht auf eigene Faust durchziehen. Es braucht vorab eine medizinische Abklärung und während des Fastens eine enge Abstimmung mit dem behandelnden Arzt. Vor allem wenn Sie Insulin spritzen oder Medikamente einnehmen, wo eine Unterzuckerung möglich ist, muss die Dosierung unbedingt angepasst werden. Eine Hypoglykämie kann sonst gefährlich werden. Häufiges Blutzuckermessen ist daher beim Fasten Pflicht.
Möchte man nachhaltig von den Effekten des Fastens auf den Stoffwechsel profitieren und das verlorene Gewicht halten, sollte man Verhaltensweisen wie Essenspausen, das achtsame Wahrnehmen von Hunger und Sättigung oder die Auswahl nährstoffreicher hochwertiger Lebensmittel zu Dauerlösungen machen. Denn leider ist es vielfach so, dass Menschen nach Fastenkuren relativ rasch wieder in alte Gewohnheiten verfallen, Gewicht zunehmen und sich ihre Stoffwechselsituation wieder verschlechtert.
Gut begleitet kann eine Fastenkur aber auf jeden Fall ein Befreiungsschlag aus alten ungünstigen Gewohnheiten und ein äußerst wirkungsvoller Neustart für den Stoffwechsel sein.

Prim. Dr. Christian Schelkshorn
seit 40 Jahren Typ-1-Betroffener
seit 24 Jahren Internist und Diabetologe