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Sind gute BZ-Werte für eine gute Diabeteseinstellung ausreichend?


Seit Beginn einer strukturierten Diabetesbehandlung war immer die Optimierung des Blutzuckers die im Vordergrund stehende Aufgabe für PatientInnen und ihre betreuenden ÄrztInnen. Wir haben unser Augenmerk ganz auf eine Normalisierung und Optimierung des BZ-Verlaufes gelegt. Dies war noch vor 40 Jahren eine äußerst schwierige Aufgabe, da wir damals nur Harnzuckerselbstmessungen und ansonsten lediglich punktuelle ärztliche Kontrollen des Blutzuckers durch Fingerstich bzw. venöse Blutabnahmen zur Verfügung hatten. Die Erstellung von BZ-Tagesprofilen war mit hohem Aufwand verbunden, und die Befundergebnisse konnten wir erst nach einer relativ langen Wartezeit einsehen. 


Wir haben in der letzten Ausgabe über die unterschiedlichen Möglichkeiten der uns aktuell zur Verfügung stehenden BZ-Messsysteme berichtet und die heute verbesserten Einblicke in die Stoffwechselqualität dargestellt.


Heute möchte ich beginnen, Sie ein wenig mit der Verbesserung der Einstellung abseits der Blutzuckerthematik vertraut zu machen. Durch die Etablierung verschiedener innovativer, moderner Therapiemöglichkeiten können wir heute neben einer Verbesserung des Blutzuckers auch viele für unsere DiabetikerInnen positive Zusatzeffekte erreichen. Wir haben gelernt, nicht nur auf einen ausschließlich zuckerzentrierten Therapieplan zu achten, sondern auch einen die Begleiterkrankungen mitberücksichtigenden Plan zu erstellen.


In erster Linie sind drei bei vielen bereits in Ansätzen vorhandene Gesundheitsprobleme hier anzuführen. Als Erstes möchte ich die große Gruppe der Herz-Kreislauf-Erkrankungen – beginnend mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz), Angina Pectoris und Herzinfarkt, auch Schlaganfälle gehören dazu (egal ob mit ausgeprägter Symptomatik oder auch nur vorübergehenden flüchtigen Symptomen) – und die peripheren Verschlusskrankheiten in den Beinen (PAVK) anführen. In weiterer Folge sind die Gruppe der Nierenerkrankungen, die zu einer Reduktion der Leistungsfähigkeit unserer Nierenfunktion führen, zu nennen und zuletzt natürlich besonders das Thema Übergewicht (bis hin zur krankhaften Adipositas). 


All diese Begleitprobleme unserer DiabetikerInnen müssen heute Eingang in unsere Therapieüberlegungen finden.


Die Österreichische Diabetes Gesellschaft hat in den letzten Jahren basierend auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ihre Therapieleitlinien neu gestaltet, zuletzt im Februar 2021. Darin wird ganz detailliert auf diese zuvor genannten Umstände hingewiesen. 


Es sind im Wesentlichen zwei Medikamentengruppen, die heute unsere Diabetestherapie verändert, ich möchte fast sagen revolutioniert haben. Die sogenannten SGLT2-Hemmer und die GLP-1-Agonisten. 


Ich möchte Ihnen heute die erste Gruppe vorstellen und Sie vor allem mit den damit verbundenen positiven Zusatzeffekten vertraut machen. Die Gruppe der SGLT2-Hemmer, auch Gliflozine genannt, erreicht ihren zuckersenkenden Effekt durch eine gewollte und beabsichtigte Wirkung auf eine vermehrte Harnzuckerausscheidung. Das bedeutet, die DiabetikerInnen, die solch eine Therapie verwenden, produzieren immer Harnzucker und nicht nur dann, wenn ihr Blutzucker die sogenannte Nierenschwelle übersteigt. Durch diese Wirkung werden die BZ-Profile geglättet, und über den Harn verlieren wir jeden Tag ungefähr 300 kcal. Dieser erste Zusatzeffekt führt zu einer in den meisten Fällen positiv wahrgenommenen Gewichtsreduktion von zwei bis drei Kilogramm. 


Darüber hinaus ist aber vor allem ein besonders positiver Effekt auf die Verbesserung der Herzinsuffizienz (Herzschwäche) hervorzuheben. Diese unterstützende Wirkung hilft, Krankenhausaufenthalte aufgrund dieser Herzschwäche deutlich zu reduzieren. Dies gilt natürlich vor allem für DiabetikerInnen, allerdings zeigen uns neue Untersuchungsergebnisse, dass auch NichtdiabetikerInnen von dieser Substanz sehr profitieren. Besonders möchte ich an dieser Stelle betonen, dass vor allem DiabetikerInnen mit einer in der Vergangenheit zu beobachtenden Herzerkrankung – wie z. B. Herzinfarkt oder bereits im Herzkatheter diagnostizierten Gefäßverengungen (KHK) – einen verbesserten Verlauf dieser Herzerkrankung in der Zukunft erwarten dürfen. 


Es gibt natürlich klare Voraussetzungen, wann und in welcher Form wir diese Klasse an Medikamenten in das Therapiekonzept unserer Typ-2-DiabetikerInnen einbinden dürfen und können. Zusätzlich sei erwähnt, dass die Betroffenen auch selbst ein wenig mitarbeiten müssen, da die Einnahme der SGLT2-Hemmer gewissen Regeln unterliegt. Diese Regeln werden immer vor Beginn der Therapie erörtert und bedürfen einer konsequenten Wiederholung. Sie sind nicht schwierig, aber wichtig, da damit sichergestellt werden kann, dass die Medikamente nicht nur ihren guten Einfluss auf den Blutzuckerverlauf, sondern die zuvor genannten positiven Zusatzeffekte voll entfalten können.


So weisen wir die PatientInnen darauf hin, dass immer gewollt Harnzucker ausgeschieden wird und damit verbunden besonders auf die lokale Situation zu achten ist, da angesammelter Zucker ein guter Nährboden für Keime, besonders auch Pilze darstellt und somit das „Trocknen“ nach dem Toilettengang ein wichtiger schützender Faktor ist. Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass es wichtig ist, das Medikament bei Krankheit (Fieber, Durchfall, operativen Eingriffen …) zu pausieren – Sick Day Rules. Ein Beenden der Therapie ist in den meisten Fällen nicht erforderlich, da nach Abklingen der Infektion oder nach absolvierter OP wieder die vollen Vorteile dieser Wirksubstanzen genutzt werden können. 


Zuletzt möchte ich noch darauf verweisen, dass in Zukunft auch die Vorteile im Hinblick auf einen Schutz der Nierenfunktion eine besondere Beachtung verdienen. In vielen Untersuchungen aller Medikamente aus dieser Klasse der SGLT2-Hemmer konnte nachgewiesen werden, dass eine Verschlechterung der Nierenschwäche (hier vor allem die Ausscheidung von Eiweiß) deutlich verlangsamt werden kann. Die Nutzung dieses Vorteils hat im Augenblick noch nicht vollen Eingang in unseren medizinischen Alltag gefunden, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass sich dies in naher Zukunft gut etablieren wird, da die Ergebnisse der diesbezüglich durchgeführten Studien sehr vielversprechend sind. 


Zusammenfassend sei betont, dass wir mit dieser Substanzklasse und ihren Vertretern ein unglaublich breit positiv wirkendes Medikament an Bord haben – gut blutzuckersenkend, Herz und Nieren schützend. Unsere Aufgabe wird es sein, dies in nächster Zeit auch ganz bewusst mehr und breiter zu nützen, insbesondere, da es ja auch noch weitere ähnlich breit positiv einzusetzende Wirksubstanzen gibt: die GLP-1-Agonisten. 

Dr. Schelkshorn

Prim. Dr. Christian Schelkshorn

seit 40 Jahren Typ-1-Betroffener 
seit 24 Jahren Internist und Diabetologe

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