Im Rahmen einer 3-teiligen Artikelserie werden unterschiedliche Aspekte der diabetischen Netzhauterkrankung (Retinopathie) behandelt. Der erste Teil beschreibt Krankheitsprozesse, Symptome sowie Risikofaktoren, und in den Folgeteilen werden die augenfachärztliche Diagnostik sowie aktuelle Therapiemöglichkeiten erläutert.
Was ist die Netzhaut und wie funktioniert sie?
Die Netzhaut (Retina) kleidet den Innenraum des hinteren Teils des Augapfels aus und besteht aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Schichten. Der zentrale Teil der Netzhaut wird „Makula“ genannt und ist für das Scharfsehen notwendig. Jeder Lichtstrahl gelangt zunächst durch die Hornhaut, Pupille und Linse, bevor er auf die Netzhaut trifft und dort durch Sehzellen,
den sogenannten Photorezeptoren, in Nervenimpulse umgewandelt wird. Es können 2 Arten von Photorezeptoren unterschieden werden, wobei Zapfen für die Farbwahrnehmung und Stäbchen für Nacht- und Dämmerungssehen zuständig sind. Für den regelrechten Ablauf des Sehprozesses ist ein hoher Bedarf an Sauerstoff notwendig, der durch ein weit verzweigtes Netzwerk von feinen Blutgefäßen in die unterschiedlichen Netzhautschichten gelangt.
Welche Auswirkungen hat ein erhöhter Blutzucker auf die Netzhaut?
Erhöhte bzw. stark schwankende Blutzuckerspiegel führen an den feinen Netzhautgefäßen zu einer Entzündungsreaktion und einer Verdickung der Gefäßwand, was schließlich zum Verschluss der kleinsten Gefäßstrukturen, der Kapillaren, führt. Sogenannte Perizyten, die an der Außenseite der Gefäße für deren Stabilität sorgen, nehmen durch diese Prozesse ebenfalls Schaden, und es kommt in weiterer Folge zu einem Zusammenbruch der Blut-Netzhaut-Schranke mit nachfolgendem Austritt von Blutbestandteilen in die umgebende Netzhaut. Diese vielen Krankheitsprozesse auf Ebene der Gefäße können zu völlig unterschiedlichen Ausprägungen an der Netzhaut führen, wie zum Beispiel Aussackungen an den kleinsten Netzhautgefäßen, auch „Mikroaneurysmen“ genannt, Schwankungen im Durchmesser der Venen und Austritt von Blut in die Netzhautschichten. Der Verschluss von Kapillaren führt zu einer umschriebenen Unterversorgung mit Sauerstoff, „Ischämie“ genannt, und somit zu Infarkten der Nervenfaserschichten, was als „Cotton-Wool-Herde“ bezeichnet wird. Ebenfalls in Arealen mit eingeschränkter Sauerstoffversorgung zu finden sind „intraretinale mikrovaskuläre Anomalien“ als Shunts zwischen kleinsten arteriellen und venösen Gefäßen dar. Dieses Stadium wird als „nichtproliferative diabetische Retinopathie“ bezeichnet. Durch die Ischämie werden von mehreren Zellarten der Netzhaut Wachstums- und Entzündungsfaktoren produziert, die wiederum das Krankheitsbild verschlechtern. Ein bekannter Faktor ist dabei der sogenannte „vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor VEGF“, der Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) im Makulabereich fördert sowie zur Ausbildung von neuen qualitativ minderwertigen Gefäßen (Neovaskularisationen) führt. Kommt es zu einer solchen Gefäßneubildung, spricht man bereits von einer proliferativen diabetischen Retinopathie, die eine weitaus schlechtere Prognose hinsichtlich Sehbeeinträchtigung hat. In diesem Stadium besteht auch ein erhöhtes Risiko einer Blutung in das Innere des Auges (Glaskörperraum). Durch weitere Umbauvorgänge innerhalb der Netzhaut können sich Verwachsungen bilden und folglich eine Abhebung der Netzhaut, was unbehandelt zum Sehverlust führen kann. Pathologische Gefäßneubildungen können ebenfalls im vorderen Teil des Auges im Bereich der Regenbogenhaut (Iris) auftreten und dort zu Abflussstörungen des Augenkammerwassers führen, was das Risiko eines Grünen Stars (Glaukom) mit Erblindungsgefahr erhöht.
Was sind die Symptome einer diabetischen Retinopathie?
Das heimtückische an der diabetischen Netzhauterkrankung ist, dass diese in den Anfangsstadien, aber auch in weit fortgeschrittenen Stadien absolut symptomlos verlaufen kann, solange es nicht im Makulabereich (Netzhautmitte) zu einer Flüssigkeitsansammlung (diabetisches Makulaödem) kommt, eine Glaskörperblutung auftritt oder sich eine Abhebung der Netzhaut zeigt. Regelmäßige augenfachärztliche Untersuchungen der Netzhaut sind essenziell, um Veränderungen an der Netzhaut frühzeitig zu erkennen und entsprechende Behandlungen einzuleiten, deren Ziel es ist, die Sehkraft zu erhalten bzw. zu verbessern. Symptome, die auf eine Beteiligung der Makula bzw. ein fortgeschrittenes Stadium der diabetischen Retinopathie hinweisen können, sind dunkle Flecken oder Schleier im zentralen Gesichtsfeld, unscharfes oder verschwommenes Sehen, sowie ein „grauer Vorhang“ im Gesichtsfeld. Treten diese Symptome auf einem oder beiden Augen auf, so ist eine dringende Vorstellung beim behandelnden Augenfacharzt oder Augenfachärztin angeraten.
Was sind Risikofaktoren für die
diabetische Retinopathie?
Hauptrisikofaktoren für das Auftreten einer diabetischen Retinopathie sind neben erhöhten bzw. stark schwankenden Blutzuckerwerten auch ein schlecht eingestellter Bluthochdruck, wobei das Risiko mit zunehmender Dauer dieser Erkrankungen zunimmt. Weitere Risikofaktoren sind erhöhte Blutfette, Nierenerkrankung sowie Adipositas. Eine Schwangerschaft bei bereits diagnostiziertem Diabetes mellitus ist ein Risikofaktor für eine raschere Progression der Erkrankung. Rauchen, unzureichende körperliche Aktivitäten, ungesunde Ernährung und ein übermäßiger Alkoholkonsum haben ebenfalls negative Auswirkungen auf die Entstehung bzw. Progression der diabetischen Netzhauterkrankung. Es gibt Unterschiede hinsichtlich Entwicklung einer Retinopathie je nach Diabetestyp, wobei ungefähr 95% aller Typ 1 und 60 % aller Typ-2-Diabetiker nach 20-jähriger Diabetesdauer eine Retinopathie zeigen.

Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Andreas Pollreisz
Leiter der Ambulanz für diabetische Augenerkrankungen, Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie, Medizinische Universität Wien

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