Die steigende Lebenserwartung hat unter anderem zur Folge, dass mehrere chronische Erkrankungen gleichzeitig auftreten können, was wiederum eine Verlängerung der Verlaufsdauer dieser Erkrankungen mitsamt ihren Folgeerscheinungen nach sich zieht. Deshalb wird es für Betroffene immer wichtiger, Selbstmanagementfähigkeiten zu erlernen, um mit diesen Herausforderungen, welche chronische Krankheiten mit sich bringen, gut umgehen zu können. Laut einer europaweit durchgeführten Studie (HLS-EU) hat aber jeder zweite Österreicher aufgrund eingeschränkter Fähigkeiten hinsichtlich Gesundheitsfragen große Schwierigkeiten damit, sich um seine eigene Gesundheit zu kümmern.
Eine niedrige Gesundheitskompetenz hat eine schlechtere physische sowie psychische Gesundheit zur Folge, daher sehen sowohl Vertreter der Gesundheitsdienste als auch politische Entscheidungsträger mittlerweile Handlungsbedarf. In Österreich wurde eines der 10 Rahmen-Gesundheitsziele der Stärkung der Gesundheitskompetenz gewidmet.
Aber was meint man mit GESUNDHEITSKOMPETENZ? Die Fähigkeit, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen sowie anzuwenden, wird als Gesundheitskompetenz definiert und ist neben einer entsprechenden Motivation und Einstellung eine wichtige Ressource, um gesundheitsrelevante Entscheidungen treffen zu können. Gesundheitskompetenz befähigt Menschen, sich am Behandlungsplan aktiv zu beteiligen.
Bei der Diabetestherapie kommt den Betroffenen selbst die entscheidende Rolle zu, denn sie sind es, die die erforderlichen Maßnahmen dauerhaft und eigenverantwortlich umsetzen müssen. Die Prognose des Diabetes hängt großteils davon ab, inwieweit und wie gut ihnen die Umsetzung der therapeutischen Maßnahmen gelingt. Es ist erwiesen, dass sich Betroffene konsequenter an die Therapiestrategie halten können, wenn sie in die Entscheidung der Behandlung miteinbezogen werden. Deshalb sollen Ärztinnen und Ärzte – einem patientenzentrierten Ansatz entsprechend – mit Patientinnen und Patienten gemeinsam Informationen austauschen und gemeinsam über verschiedene therapeutische Möglichkeiten nachdenken.
Um aber als Patientin, als Patient mitreden zu können, bedarf es entsprechender Kompetenzen, allen voran ausreichend Wissen über Krankheit, Therapie und Zusammenhänge – Wissen, welches von den Betroffenen auch verstanden wird. Neben diesem Wissen ist eine entsprechende Krankheitsbewältigung von großer Bedeutung. Der chronisch kranke Mensch muss Wege finden, die Veränderungen sowie Einschränkungen in sein Leben zu integrieren, denn die Erkrankung begleitet ihn von nun an sein ganzes Leben.
Ob Patientinnen und Patienten über diese entsprechenden Kompetenzen verfügen, zeigt sich in ihrem Umgang mit der Krankheit, in ihrem Gesundheitsverhalten und in vielen pflegerischen Situationen. Pflegeberatung stellt eine Möglichkeit dar, Betroffene beim Erlangen beziehungsweise Stärken der benötigten Fähigkeiten zu unterstützen. Dabei sind von Seiten der Pflegepersonen Ressourcenorientierung, Patientinnen- und Patientenzentriertheit, Rollenflexibilität und eine offene sowie partnerschaftliche Beziehungsgestaltung gefordert. Pflegende sollen vielmehr als Vermittler beziehungsweise Unterstützer auftreten und nicht mehr (nur) die Rolle der Expertinnen und Experten einnehmen.
Pflegeberatung soll verschiedene Wege aufzeigen und ist vom Ergebnis her offen. Im Beratungsgespräch ist es wichtig, die zu beratende Person über ihre ganz eigenen Vorstellungen hinsichtlich des gesundheitlichen Zustandes sprechen zu lassen und deren Sichtweise zu akzeptieren. Daraufhin sollen Pflegepersonen ihrerseits eine Deutung des Zustandes anbieten, unter Beachtung eines verständlichen Vokabulars und unter Berücksichtigung der Möglichkeit, dabei auch an Grenzen zu stoßen.
Neben entsprechenden Gesprächs„techniken“ (verständlich reden, aktiv zuhören und im Bedarfsfall rückfragen, überzeugend argumentieren, visualisieren…) bedarf es bei der Pflegeberatung vor allem einer Haltung des sich Einlassens, damit Kommunikation gelingen kann. Durch ein Gespräch, bei welchem sich die Beraterin, der Berater dem Gegenüber aktiv zuwendet, wird Nähe und Wertschätzung spürbar. Gegenseitiger Respekt ist Voraussetzung für den Aufbau einer vertrauensvollen Beratungsbeziehung.
Für die Begleitung von Menschen in Veränderungsprozessen ist es darüber hinaus wichtig, die Eigenmotivation der Betroffenen anzuregen und zu stärken. Gemäß dem von Miller und Rollnik entwickelten Konzept der „motivierenden Gesprächsführung“ sind Menschen den bevorstehenden Veränderungen gegenüber ambivalent und nicht primär unmotiviert. Diese Ambivalenzen gilt es aufzulösen. Dem „transtheoretischen Modell“ der Verhaltensänderung von Prochaska und Di Clemente zufolge laufen Veränderungsprozesse in bestimmten Stadien ab. In welchem Stadium sich die Klientin, der Klient befindet, muss bei einer Beratung unbedingt berücksichtigt werden. Jeder Mensch trägt das Potenzial zur Veränderung in sich.
Das Ausmaß der Gesundheitskompetenz einer Person ist keinesfalls nur von deren individuellen Voraussetzungen abhängig, sondern auch davon, wie qualitätsvoll, verständlich und verfügbar die Informationen bereitgestellt werden. Hinsichtlich des Aneignens von Wissen ist laut Expertinnen und Experten zudem ein niederschwelliger Zugang zu Informationen sowie zu medizinischer und sozialer Hilfestellung ein ganz wesentlicher Faktor für die Erreichung gesundheitlicher Chancengleichheit.