Stress? Dreifach schlecht bei Diabetes!

Drei Stressphänomene stehen in direktem Zusammenhang mit Diabetes: 

 

  • Menschen, die viel Stress erleben und damit nicht gut umgehen können, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken. 

  • Bei Menschen mit Diabetes kann sich zusätzlicher Stress negativ auf den Behandlungserfolg auswirken. 

  • Eine Diabeteserkrankung kann für manche Menschen zu Überforderung und Stress führen

 

Die Sommerzeit war für viele Menschen Urlaubszeit mit Entspannung und Erholung. Wer dafür sorgt, seinen Stresslevel dauerhaft niedrig zu halten, indem er präventive Maßnahmen im privaten und beruflichen Umfeld plant, ist besser dran – auch in Bezug auf Diabetes.

 

„Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung, und Stress wirkt sich auf den Stoffwechsel in mehrfacher Hinsicht ungünstig aus: sowohl durch Veränderungen im Hormonhaushalt mit direkten Auswirkungen auf den Stoffwechsel und Energiehaushalt als auch durch gesundheitsschädigende Verhaltensänderungen“, erklärt Univ.-Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer von der Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der MedUni Wien, und Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft. „Vor allem chronischer Stress hat weitreichende gesundheitliche Auswirkungen, aber auch akute Stresssituationen erhöhen den Blutzucker und das Risiko für Herzerkrankungen, emotionaler Stress besonders bei Frauen. Deshalb ist es für alle wichtig, Erholungsphasen im Urlaub aktiv einzuplanen und dafür zu sorgen, dass der Stresslevel auf Dauer gesenkt werden kann.“

 

Der Stress-Hormoncocktail 

 

Kautzky-Willer führt aus: „Bei Stress kommt es zu einer Aktivierung und einer vermehrten Ausschüttung des Stresshormons Kortisol. Kortisol bringt uns auf Touren, es bringt Energie und steigert unsere Aufmerksamkeit, führt aber auch zu Insulinresistenz, einer Vorstufe des Typ-2-Diabetes. Zusätzlich werden die Hormone Adrenalin und Noradrenalin bei Stress stärker ausgeschüttet. Diese Hormone machen uns wacher, aufmerksamer, unsere Konzentrationsfähigkeit ist besser, die Muskeln werden stärker durchblutet, unsere Leistungsfähigkeit wird höher, der Herzschlag schneller, und der Blutdruck steigt an. Diese Hormone mobilisieren gleichzeitig Zucker aus den Zuckerspeichern im Körper, um schnell verfügbare Energie zu bekommen. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel.“ Unter Stress werden weiters mehr Eiweißstoffe aus dem Immunsystem ausgeschüttet. Diese Eiweißstoffe wirken ungünstig auf den Stoffwechsel und die Immunabwehr. 

 

Appetithormon steuert Gusto auf Süßes

 

Hohe Stressbelastung führt auch zur Ausschüttung des Appetithormons Ghrelin – das Verlangen nach Süßem erzeugt. Prim.a Dr.in Heidemarie Abrahamian, Abteilungsvorständin des Internistischen Zentrums im Otto-Wagner-Spital in Wien und Mitglied der ÖDG erläutert: „Unter Stress essen wir mehr Süßes, denn das Essen von Kohlehydraten baut Spannung ab. Akut kann es uns kurzfristig helfen. Auf Dauer hat es negative Folgen wie Gewichtszunahme, Adipositas und Diabetes. Zusätzlich haben Menschen unter Stress ein vermehrtes Verlangen nach Suchtmitteln wie Alkohol und Nikotin, die sich auch negativ auf den Stoffwechsel auswirken. Auch wenn für viele Menschen Urlaubszeit Genusszeit bedeutet, so bietet gerade diese Zeit oft den leichteren Einstieg, um gesündere Ernährungs- und Lebensweisen dauerhaft zu etablieren.“

 

Stress als Diabetesauslöser

 

Menschen, die viel Stress erleben und schlecht damit umgehen können, weisen eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, an Diabetes zu erkranken. Die Fähigkeit, mit Stress umzugehen, bzw. Stress gut auszuhalten, nennt man Stressresilienz. Bei sehr niedriger Stressresilienz ist das Risiko, an Diabetes zu erkranken, zirka doppelt so hoch wie bei Menschen mit normaler Stressresilienz. Kennzeichen für eine gute Stressresilienz wären eine optimistische Grundhaltung und lösungsorientiertes Denken. Abrahamian beruhigt: „Die gute Nachricht ist: Stressresilienz kann erlernt und verbessert werden. Die wichtigste Maßnahme in Bezug auf Stress ist, ihn zu reduzieren. Stressreduktion ist ein laufender Prozess, der in kleinen Schritten besser gelingt. Gerade der Urlaub ist eine hervorragende Gelegenheit, dafür neue Ideen zu generieren. Wem es zum Beispiel gelingt, in belastenden Situationen Ressourcen zu aktivieren, wie beispielsweise Verwandte und Freunde, oder wer beginnt, seine körperliche Fitness wieder zu steigern, wird besser mit kommenden Stresssituationen umgehen können. Hilfe zu suchen und auch anzunehmen ist essenziell. Psychotherapie ist eine gute Unterstützung bei der Stressbewältigung. Wer merkt, dass er allein nicht mehr aus seinem Hamsterrad herausfindet, sollte auch in Hinblick auf seine körperliche Gesundheit Hilfe in Anspruch nehmen.“ 

 

Stress verschlechtert den Behandlungserfolg

 

Bei Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt und dann zusätzlich höherem Stress ausgesetzt sind, kann sich der Diabetes verschlechtern. Abrahamian erklärt: „In der Phase des Stresses liegen die Prioritäten anderswo, und der Diabetes wird oft vernachlässigt. Wir beobachten in der klinischen Praxis, dass eine Verbesserung der Diabeteswerte eintritt, wenn Stressauslöser bewältigt werden. Frauen sind hier gefährdeter als Männer. Ein Grund dafür könnte sein, dass Frauen Situationen emotional stärker erleben. Dieses stärkere Erleben hat einen physiologischen Hintergrund. So leiden Frauen auch doppelt so oft an Depressionen wie Männer. Deshalb ist es gerade für Menschen mit Diabetes wichtig, dafür zu sorgen, dass Urlaub nicht zum zusätzlichen Stressfaktor wird, sondern Erholung und Entspannung auch tatsächlich greifen können.“ 

 

Diabetes Distress: Überforderung und Belastung durch Diabetes

 

Diabetes ist eine Erkrankung mit relativ hohen organisatorischen Anforderungen. Die Betroffenen müssen zumeist mehrmals täglich Blutzucker messen, ihre Ernährung auf die Behandlung abstimmen und ausreichend Bewegung in ihren Alltag einbauen. Das ständige „Einhalten müssen“ dieser Anforderungen kann zu emotionaler Überlastung führen. Diese emotionale Überlastung durch Diabetes wird in der Medizin als „Diabetes Distress“ bezeichnet. „Diabetes Distress führt zu schlechterer Fürsorge für den eigenen Diabetes – und dadurch zu schlechterer Stoffwechselkontrolle. Die Folge sind Akutkomplikationen bis hin zu chronischen Folgen mit mehr Spätschäden – je nach Dauer der Distress-Phase. Zwischen 20 und 45 Prozent aller Menschen mit Typ-2-Diabetes sind von dieser Art von Stress betroffen. Von den Betroffenen sind drei Viertel Frauen und ein Viertel Männer“, ergänzt Kautzky-Willer.

 

Abschließend betonen beide ÖDG - Expertinnen gemeinsam: „Nützen Sie die Urlaubszeit, um Stresswirkungen zu reduzieren und damit auch gleichzeitig Diabetes vorzubeugen oder bessere Behandlungserfolge zu erzielen! Wir müssen die stark erhöhte Stressbelastung in unserer modernen, fordernden Gesellschaft als Risikofaktor für Diabetes und seine Folgeerkrankungen ernst nehmen – sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der personalisierten Therapie in multiprofessionellen Behandlungsteams.“

Auch oft gelesen:

Artikel teilen

Mein Leben plus

Verpassen Sie nichts. Melden Sie sich noch heute zu unserem Newsletter an!