Stellen Sie sich vor …
… Sie erhalten die Diagnose Diabetes mellitus und möchten sich daher über diese in Österreich stark ansteigende, chronische und nicht heilbare Erkrankung informieren. Dank dieses erlangten Wissens wüssten Sie in weiterer Folge genau, was Sie tun müssten, um mögliche Begleiterkrankungen zu vermeiden und Spätfolgen zu verhindern. Trotz der Krankheit, die Sie von nun an begleitet, führen Sie ein den Umständen entsprechend gesundes Leben. „Wissen ist Macht“, erkannte Francis Bacon bereits im 16. Jahrhundert, und das trifft ohne Zweifel auch heute, im 21. Jahrhundert, auf den Umgang mit Diabetes mellitus zu. Nun sind einige wenige vielleicht in der glücklichen Lage, ein Bewusstsein für und Zugang zu medizinischem Fachwissen zu haben, aber was ist mit den zahlreichen Betroffenen, denen eine derartige Informationsgrundlage fehlt?
Die Rolle der Diabetesberatung
An dieser Stelle sei auf die tragende Wichtigkeit der Diabetesberatung verwiesen, die zur Aufgabe hat, genau dieses überaus lebensnotwendige Wissen in verständlicher Form und auf Patient*innen abgestimmt zu vermitteln. Ziel der Beratung ist es dabei, Verhaltens- bzw. Lebensweisen zu erarbeiten, Ziele zu formulieren und regelmäßige Kontrollen durchzuführen. Im Detail werden eine richtige Blutzuckermessung trainiert und angestrebte Blutzuckerwerte gemeinsam definiert; außerdem werden den Betroffenen mögliche Gefahren wie Hypoglykämie (Unterzucker), Hyperglykämie (Überzucker) und Ketoazidose (Stoffwechselentgleisung) verständlich erklärt.
Im Weiteren wird auf Themen wie die positive Wirkung von Bewegung auf die Blutzuckerwerte eingegangen und die Wichtigkeit einer gesünderen Ernährung erörtert, wobei hier auch Ernährungsberater*innen herangezogen werden. Bei allen Höhen und Tiefen soll dem bzw. der an Diabetes Erkrankten die Diabetesberatung in ganzheitlicher Weise zur Seite stehen.
Nun darf man sich ruhig die Frage stellen, ob dem in der Realität auch wirklich so ist und ob die Diabetesberatung diese gewünschten Ziele tatsächlich erreicht.
Zu den Fakten …
Aus Datensammlungen der Wiener Klinischen Wochenschrift ist ersichtlich, dass sich durch eine umfassende Diabetesschulung nach 1 Jahr der Langzeitzuckerwert (HbA1c) um 0,8 %, das Gewicht um 1,6 kg und der Blutdruck um 26 mmHg senkte. Daraus darf eindeutig rückgeschlossen werden, dass auch das Risiko an gefürchteten Spätschäden sinkt.
Wussten Sie außerdem, dass in Österreich laut der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) ca. 800.000 Menschen (Stand 2021) an Diabetes erkrankt sind? Das ist bei 9 Millionen Einwohner*innen ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung. Des Weiteren entwickelt immerhin ein Viertel der an Diabetes erkrankten Menschen im Laufe der Erkrankung ein diabetisches Fußsyndrom. Anhand dieser Zahlen wird besonders deutlich, wie unumgänglich die Diabetesberatung für das Wohl der Patient*innen eigentlich ist. Im Übrigen handelt es sich beim diabetischen Fußsyndrom um nur eine von vielen möglichen Folgewirkungen des falschen bzw. unwissenden Umgangs mit Diabetes mellitus; doch gerade beim diabetischen Fußsyndrom – also einer Gefäß- und/oder Nervenschädigung (meist eine Kombination beider), die zur Minderdurchblutung und zu Gefühlsstörungen der unteren Extremitäten führen kann – kann es sich um eine besonders folgenschwere Auswirkung handeln, nämlich wenn eine Amputation unausweichlich wird. Dies wiederum stellt nicht nur für die Betroffenen eine schwerwiegende, lebenserschwerende Spätkomplikation dar, sondern belastet das Gesundheitswesen in finanzieller Hinsicht enorm.
Das Programm „Therapie aktiv“
Die besorgniserregende Entwicklung aufgrund des fehlenden Wissens und Bewusstseins der Betroffenen wurde im Jahr 2007 durchaus erkannt und das Disease-Management-Programm (DMP) „Therapie aktiv – Diabetes im Griff“ ins Leben gerufen. Hierbei handelt es sich um ein Programm der Österreichischen Gesundheitskasse in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzt*innen. „Therapie aktiv“ richtet sich vorwiegend an Typ-2-Diabetiker*innen, die von ihren behandelnden Ärzt*innen in das Programm aufgenommen werden können. Derzeit nehmen in Österreich ca. 1.900 Ärzt*innen daran teil, über die wiederum 100.000 an Diabetes erkrankte Personen verzeichnet sind (Stand: 01. 08. 2022). Angeboten werden strukturierte Schulungsprogramme, die dem bzw. der Erkrankten helfen, mit Diabetes mellitus bestmöglich im Alltag leben zu können. Zudem wird das empfohlene Verhalten in besonderen Situationen und schlimmstenfalls Notsituationen besprochen und geschult. Den an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankten Personen sei daher unbedingt empfohlen, sich über die eigene Ärztin bzw. den eigenen Arzt Zugang zu diesem Programm zu verschaffen.
Folgen des ausbleibenden Angebots an Diabetesberatungen
Aktuell finden Diabetesberatungen und -schulungen hauptsächlich in Krankenhäusern und deren Ambulanzen sowie Rehazentren statt. Die anhaltend prekäre Personalsituation und der COVID-bedingte Ausnahmezustand der letzten zwei Jahre ließ häufig keine Schulungen und Beratungen zu, und wenn, dann nur online. Dieses Angebot stellte zwar für manche Patient*innen eine hilfreiche Alternative dar, jedoch werden über den virtuellen Weg nicht alle Zielgruppen erreicht. So ging die Nutzung von Beratungen und Schulungen beispielsweise von älteren Personen zwangsläufig zurück. Ein nachhaltiger und bestmöglicher Umgang mit der Krankheit blieb und bleibt so freilich oft auf der Strecke. Weil Diabetes mellitus durchaus als Volkskrankheit bezeichnet werden kann und einen signifikanten Teil der Bevölkerung betrifft, muss daher leider davon ausgegangen werden, dass aufgrund der fehlenden Diabetesberatungen ganzen Bevölkerungsteilen ein qualitativ höherwertiges Leben verwehrt bleibt.
Die Diabetesberatung als konkreter Lösungsansatz für ein besseres Leben mit der Diagnose
So wäre es doch in vielerlei Hinsicht von Vorteil, wenn Beratungen und Schulungen sowie regelmäßige Kontrollen in der gewohnten und vertrauten Umgebung der Betroffenen stattfinden. Eine gemeinsame Umgestaltung der Umgebung würde die zukünftige Lebensstilveränderung enorm erleichtern. Eine auf die Patient*innen abgestimmte Diabetesberatung würde nicht nur die besprochenen möglichen Folgeschäden minimieren, sondern auch psychische Auswirkungen wie Überforderung, Angst und Resignation eindämmen. Den Patient*innen kann ein zuversichtlicher und vertrauensvoller Weg geebnet werden.
Was die tatsächliche Umsetzung betrifft, so darf sich auch der Gesundheitsbereich ruhig trauen, dem 21. Jahrhundert entsprechende Lösungen anzubieten. Insbesondere die freiberufliche und die mobile Diabetesberatung könnten einen individualisierten und flächendeckenden Beitrag leisten. So ist immerhin bereits 1 Achtel der gesamten österreichischen Bevölkerung von Diabetes mellitus oder Prädiabetes betroffen.
Bis dato scheitert dieser scheinbar so einfache Zugang an der Frage der Kostenübernahme, die nicht durch die Krankenkassen vorgenommen wird. Eine Übernahme dieser Kosten durch den Versicherungsträger wäre nicht zuletzt aber auch deswegen zu diskutieren, da nicht nur die Diabeteserkrankten direkt profitieren würden, sondern auch die Ambulanzen der Krankenhäuser und Praxen in der Primärversorgung entlastet werden würden.
Darüber hinaus wäre es außerdem wünschenswert, wenn die Übergabe von Diabetesberatung und Schulung durch die Ärzt*innen an speziell für Diabetes ausgebildetes Pflegepersonal so zeitnah wie möglich einen konkreten und praxisbezogenen Niederschlag in entscheidungsfindenden Diskussionen findet und nicht weiter durch innenpolitische oder globale Umstände verzögert wird – schließlich macht auch die Ausbreitung der Krankheit selbst keinen Halt davor.
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John Doe
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