Die wohl häufigste Frage unserer Patienten lautet: Muss ich wirklich „schon“ Insulin spritzen?
Bei dieser Frage ist eine klare Richtung der Antwort vorgegeben: Wenn eine Erweiterung der Tablettentherapie oder auch die Ergänzung der Behandlung mit einem neuen Injektionsmedikament aus der Gruppe der Inkretinmimetika (GLP1-Agonisten) nicht in Frage kommt bzw. das Therapieziel, welches zwischen Betroffenem und Behandler vereinbart ist, nicht erreicht werden konnte oder auch verbessernde Lebensstilmaßnahmen nicht umgesetzt werden können, ist der Beginn mit einer unterstützenden Insulintherapie der nächste Schritt.
Ich versuche, das Wort unterstützend hier ganz in den Mittelpunkt zu rücken, da es sich hier nicht um eine die Tabletten ersetzende, sondern vielmehr um eine ergänzende Strategie handelt. Dabei ist in erster Linie der Nüchternblutzucker im Blickfeld, da wir aus der Alltagspraxis wissen, dass sich ein BZ-
Tagesprofil deutlich besser gestalten lässt, wenn es gelingt, mit einem im Zielbereich befindlichen BZ am Morgen zu starten. Dabei stehen uns heute viele unterschiedliche Insuline zur Verfügung.
Fürs Erste sind hier die „alten“, die sogenannten NPH-Insuline eine Möglichkeit. Diese verzögert wirkenden Insuline haben die Eigenschaft, nach ca. 6 bis 8 Stunden ein Wirkmaximum zu erreichen – ein Umstand, den man bei korrekter Gabe vor dem Zubettgehen für die Verbesserung des Nüchtern-BZ sehr gut nützen kann. Nachteile bestehen in der Notwendigkeit des korrekten „Schwenkens“ vor der Insulingabe, den sich von Tag zu Tag verändernden Wirkkurven, damit verbunden einer erhöhten Gefahr von Hypoglykämien vor allem nachts und nicht zuletzt in einer im Vergleich mit Langzeitinsulinen verkürzten Gesamtwirkdauer. Daher ist heute aus den zuvor genannten Gründen den modernen Langzeit-
insulinen oft der Vorzug zu geben. Hier stehen uns 3 verschiedene Insuline zur Verfügung: Lantus®, Toujeo® und Tresiba®.
Vorteile bestehen hier gewiss in der deutlich reduzierten Gefahr für Hypoglykämien aufgrund des langen und sehr flachen Wirkprofils und zusätzlich vor allem in der Möglichkeit einer zeitlich sehr flexiblen Insulingabe. Besonders beim Insulin degludec (Tresiba®) kann aufgrund einer neuen Verzögerungstechnik die Gabe zeitlich sehr individuell gestaltet werden. Dies kann sowohl bei alten, nicht mehr selbstständig handelnden Menschen (Angehörige oder Heimhilfen können nur zu unterschiedlichen Tageszeiten die Insulingabe durchführen) als auch bei Menschen mit einem stark schwankenden Tages- und Nachtrhythmus von großem Vorteil sein. Grundsätzlich bieten all diese Insuline mehr Stabilität in der Wirkung und manche besonders hohe Flexibilität in der Gabe.
Allerdings kann diese einfache Strategie in erster Linie nur den sogenannten Basal-(Fasten-)bedarf abdecken, und BZ-Auslenkungen nach einer Mahlzeit müssen mit Hilfe der Tabletten, der Inkretinmimetikum-Injektion bzw. v. a. durch eine angepasste Ernährung und ein optimiertes Bewegungsprofil verbessert werden. Besonders die Bewegung sei hier als zu bevorzugende Möglichkeit zur Verbesserung der Insulinwirkung – gesteigerte Insulinsensibilität – angesprochen. Wenn es nun nicht mehr gelingen sollte, die BZ-Werte nach dem Essen mit den oben genannten Optionen zu verbessern, kommen zwei Möglichkeiten einer Therapieerweiterung in Frage: 1. Umstellung auf eine Behandlung mit zwei- oder dreimal täglich Mischinsulin (eine fixe unterschiedlich aufgeteilte Mischung zwischen einem verzögert wirkenden Insulin und einem rasch, also bereits zur Mahlzeit wirkenden Insulin) oder 2. Umstellung auf eine flexible Strategie unter Beibehaltung des Langzeitinsulins und Erweiterung mit einem flexibel zu handhabenden Mahlzeiten-/Korrekturinsulin.
Beide Optionen bieten Vor- und Nachteile. Die Mischinsuline waren und sind in Österreich ganz im Gegenteil zu vielen anderen Ländern eine häufig angewandte Option. Sie ist auf den ersten Blick einfach in der Handhabung und in der Regel mit zwei bis drei Injektionen pro Tag zu gestalten. Für Menschen, die einen sehr geregelten Tagesablauf haben, für die es kein Problem darstellt, die mit der Insulindosis abgestimmten Mengen an Kohlenhydraten täglich zu konsumieren, die keine ungeplanten Zwischenmahlzeiten einnehmen, zusätzlich auch die Zeiten des Aufstehens und der Mahlzeiten rhythmisch gestalten, ist diese Form der Behandlung bestens geeignet. Wir haben unterschiedliche Mischungsverhältnisse und daher die Möglichkeit einer individuellen Aufteilung zur Verfügung.
Oft fragen PatientInnen allerdings, was sie tun können, falls sie zu Mittag nicht zum Essen kommen und erst am Nachmittag ihre Hauptmahlzeit einnehmen können. Mir ist morgens manchmal übel, und das Frühstück fällt aus? Nachmittags ist eine ungeplante größere Jause hinzugekommen? Was gibt es hier für Möglichkeiten, den BZ stabil zu halten? Hier haben wir heute einfache Möglichkeiten zur Verfügung, die – unterstützt durch einfache BZ-Messsysteme – auch einen sehr turbulenten Alltag gut bewältigen lassen. Voraussetzung dafür ist, dass die Betroffenen nicht die Anzahl der erforderlichen Injektionen, sondern vielmehr die dadurch gewonnen Freiheiten im Blickfeld haben. Die einmal tägliche Gabe eines Langzeitinsulins und die fix dosierte oder auch individuell zu gestaltende Gabe von Mahlzeiten- bzw. Korrekturinsulin hilft, dieses Modell im Alltag umzusetzen.
Dies muss absolut nicht kompliziert gestaltet sein, sondern nur „bewusstes Essen“ und im Normalfall eine vorangehende kurze BZ-Kontrolle (am einfachsten mit einem Sensor) sind Voraussetzung für ein gutes Gelingen. Damit gewinnen wir mehr Flexibilität und können auch mit einer Insulintherapie unseren Alltag ohne Einschränkungen gestalten!
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John Doe
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