In der Ordination: Ja, wer steht denn da auf der Warteliste? Den Namen kenne ich, das ist doch die junge Frau von vor 2 Jahren – die, die mit einem HbA1c von 14 % gekommen ist, ganz müde, verängstigt und verzweifelt. Sie ist nach der ersten Insulineinstellung im Spital recht schnell entlassen worden, zu Hause hat es nicht so gut geklappt, dazu Probleme in der Familie UND in der Arbeit ... naja, jedenfalls war sie noch einige Male in der Ambulanz – und dann gar nicht mehr ... hat nur „nach Gefühl“ gespritzt.
Ein Jahr lang ist sie nicht mehr da gewesen – hm, warum kommt sie denn? Sie hat doch so regelmäßig ihren Blutzucker gemessen zuletzt, hat Protokolle geschrieben, und ich hatte sie an die Insulinpumpen-Ambulanz verwiesen. Sie ist doch sicher hingegangen? Was ist passiert, was schief gegangen, dass sie wiederkommt? Ich bin ganz nervös, beende das Gespräch mit der Patientin vor ihr ein bisschen schneller, schau’ in den Warteraum: Da ist sie! Gut sieht sie aus, und ganz selbstverständlich kommt ein junger Mann mit ins Sprechzimmer, mit einem Blumenstock in der Hand. Was ist denn da los?
„Wir wollten uns bedanken und uns verabschieden!“ Verabschieden? „Ja, wir haben nämlich beide unsere Jobs gekündigt und die Wohnungen auch!“ Sie genießen meine Verblüffung. „Wir machen ab nächster Woche eine Weltreise! Ein Jahr lang!“ Ach, wie schön! „Mit Ihrer Insulinpumpe?“ „Ja, klar – mit Pumpe! Ein Rucksack ist auch ganz voll mit dem ganzen Material, den Kathetern, den vielen Teststreifen, und Insulin ist auch recht viel dabei!“ „Ihr seid als Backpacker unterwegs?“ „Ja, zu zweit mit einem Rucksack! Denn in dem von meinem Mann muss auch mein Zeugs reinpassen, ich hab’ ja die Diabetessachen in meinem – so ist der auch ganz leicht, hihi!“
Wie fröhlich und gut die beiden drauf sind! „Und das Insulin?“ „Also, zur Sicherheit haben wir so eine kleine Kühltasche. Und in Australien kaufen wir welches, Rezepte haben wir, dort ist es nicht so arg teuer wie in den USA!“ Na, die kennen sich ja gut aus! Ich gratuliere und freu’ mich. Beim Rausgehen dreht sich die junge Frau noch einmal um: „Und Frau Doktor, wenn wir als Paar zurückkommen, wenn wir uns noch immer liebhaben ... dann startet das nächste Projekt!“ „Baby?“ Sie nickt, winkt noch einmal und – weg sind sie, für ein ganzes Jahr!
Das war das Mutigste, was ich je gehört hab’ zum Thema „Reisen als Typ-1-Diabetiker“. Eine Weltreise mit Rucksack mit Insulinpumpe, ein ganzes Jahr lang, einmal rund um den Globus. Ein Traum. Sehen Sie, es geht! Reisen mit Diabetes geht. Sehr gut sogar. Wenn man sich vorher ein bisschen was überlegt.
DIE wichtigste Regel: gilt für ALLE Reisende!
Sie müssen wissen, was Sie brauchen, wie Ihre Medikamente, wie Ihr Insulin heißt. Also bitte: aufschreiben. Besser noch: die Schachtel fotografieren, mit dem Handy, das Sie ohnehin dabeihaben. Fotografieren Sie auch das „Kleingedruckte“, dort, wo steht: „Enthält ...“ oder den chemischen Namen. Damit auch in einer ausländischen Apotheke alles klar ist. Das machen Sie bitte auch mit allen anderen Medikamenten, die Sie sonst noch nehmen!
Sie nehmen nur Tabletten? Alles ganz easy!
Sie nehmen einfach genug mit. Nur für den Fall, dass irgendetwas passiert, sodass Sie erst später zurückkommen, sollten Sie eine Reserve für ca. 10 Tage dabeihaben.
Wenn Sie fliegen: Medikamente gehören ins Handgepäck. Eventuell Ihrem Reisepartner einige Schachterln geben, wenn möglich.
Zeitverschiebung? Bei Therapien nur mit Tabletten meistens kein Problem. Sie nehmen Ihre Tabletten im Urlaubsland genauso morgens, mittags und abends wie zu Hause – nach dortiger Zeit.
Ausnahme: wenn Sie Tabletten nehmen, die Ihren Insulinspiegel erhöhen. Davon gibt es nur wenige, Repaglinid gehört dazu und die „Sulfonylharnstoffe“ Amaryl® (Glimepirid) und Diamicron® (Gliclazid). Bei denen sollten Sie während der Reise die Dosis anpassen, aber nur leicht erhöhen oder ein bisschen, z. B. eine halbe Tablette, weniger nehmen, wenn der Tag kürzer wird, Sie also nach Osten fliegen. Im Urlaubsland geht es weiter wie gewohnt mit „früh – mittags – abends“. Im Zweifelsfall rechtzeitig Ihren Arzt fragen!
Wenn Sie nicht sicher sind, wie Ihre Tablette wirkt: Auf zuckertante.at gibt es Erklärungen zu allen in Österreich erhältlichen Medikamenten gegen Diabetes, geordnet nach Anfangsbuchstaben.
Was machen Sie mit Insulin im Urlaub?
Im Winter ist es einfach, da brauchen Sie nur darauf achten, dass Ihr Insulin nicht einfriert. Wenn Sie einen Schiurlaub machen, müssen Sie vielleicht Ihr Insulin auf die Piste mitnehmen, weil Sie zu jedem Essen spritzen: Insulin gehört in die Innentasche Ihres Anoraks oder Ihres Schianzugs. Dahin, wo es das Insulin schön warm hat. Das gilt auch für sehr kalte Tage im Winter, wenn Sie unterwegs sind.
Urlaube in heißen Ländern: Da kommt es darauf an, welche Art Urlaub Sie machen. Wenn Sie in ein Hotel fahren, ist es meistens nicht schwierig: Viele Zimmer sind klimatisiert, und da wird es dort nicht zu heiß. Wenn es keine Klimaanlage gibt, müssen Sie in sehr heißen Gegenden vielleicht improvisieren. Wickeln Sie zum Beispiel morgens ein feuchtes Handtuch um Ihr Insulin, und legen Sie das Päckchen irgendwohin, wo es nicht zu heiß wird, in den Kleiderschrank zum Beispiel. Durch die Verdunstungskälte bleibt Ihr Insulin gut gekühlt. Aber passen Sie auf, dass das Stubenmädchen nicht Ihr Handtuch mitsamt dem Insulin darin zur Wäsche gibt! Der Trick mit dem Handtuch ist auch praktisch, wenn Sie Ihr Insulin an den Strand mitnehmen wollen.
Abzuraten ist von den kleinen Hotelkühlschränken. Schauen Sie zumindest genau hin, was für einen Kühlschrank Sie da haben. Die älteren kleinen Kühlschränke sind recht unberechenbar, schon so manches Insulin ist da drin eingefroren! Da wäre es besser, Sie legen sich eine kleine Kühltasche fürs Insulin zu. Achtung, nicht die Insulinampullen einfach auf einen Kühlakku packen, der frisch aus dem Tiefkühlschrank kommt! Da wäre es dem Insulin mit Sicherheit zu kalt. Es gibt spezielle praktische Täschchen für Diabetiker, in denen Insulin gut gekühlt werden kann.
Und was machen Sie mit Ihrem Insulin während der Reise selbst?
Wenn Sie fliegen: Insulin gehört IMMER ins Handgepäck! Geben Sie Ihr Insulin bitte NIE in den Koffer, den Sie am Gepäckschalter aufgeben! Koffer werden recht oft verschickt und landen irgendwo. Außerdem wissen Sie nicht, wie kalt es im Laderaum Ihres Flugzeugs sein kann. Also: Insulin ins Handgepäck, und bei längeren Reisen ist es zusätzlich schlau, wenn Ihr Begleiter oder Ihre Begleiterin auch einen Teil des Insulins im Handgepäck hat. Sodass Sie selbst im allerschlimmsten Fall noch etwas Insulin haben: wenn Ihnen Ihr Handgepäck geraubt wird.
Bei der Sicherheitskontrolle sollte es keine Probleme geben: Das Sicherheitspersonal ist geschult und sollte Insulin erkennen. Auch Insulinpumpen und Sensoren. Es ist aber eine gute Idee, einen Diabetikerausweis, eine Bestätigung, dass Sie insulinspritzender Diabetiker sind, bei sich zu haben. Und was an Geräten Sie dabeihaben.
Wenn Sie sehr große Mengen Insulin mithaben, etwa auf einer Weltreise, dann kann es helfen, wenn Ihre Diabetesambulanz oder der Arzt, der Sie betreut, eine Bestätigung schreibt, aus der ersichtlich ist, wie viel Insulin Sie für die Dauer Ihrer Reise brauchen. Entweder hat Ihr Diabetesarzt ein Formular bei der Hand, oder Sie geben bei Google „Diabetes ärztliche Bestätigung“ ein und bekommen sofort Links zu einigen Formularen.
Und wenn’s wirklich passiert ist?
Irgendwas ist böse schiefgelaufen, Sie sind in einem fremden Land, und Ihr Insulin ist weg? Was dann? Zuerst: keine Panik! Insulin ist fast überall erhältlich. Fragen Sie nach einer Apotheke, nach einem Spital. Auch für Sie: Sehr hilfreich – und beruhigend! – ist es, wenn Sie eine leere Insulinpackung dabei haben – oder den Teil der Packung, auf dem steht, wie Ihr Insulin genau heißt und was es enthält. Sie könnten auch Ihre Insulinpackungen vorab fotografieren und das Foto auf dem Handy dabeihaben. Bitte so fotografieren, dass man nicht nur den Namen des Insulins gut sehen kann, sondern so, dass man auch das „Kleingedruckte“ lesen kann. Praktisch überall wird man Ihnen mit Insulin aushelfen können.
In manchen Ländern kann es sein, dass nicht ganz genau dasselbe Insulin vorrätig ist. Dann sollte Ihnen der Apotheker aber ein Insulin geben, das sehr ähnlich wirkt. Allerdings gibt es noch nicht in allen Ländern die Insulinpens, die bei uns schon selbstverständlich geworden sind. Es könnte also sein, dass Ihnen der Apotheker ein Fläschchen Insulin und ein paar Spritzen in die Hand drückt. Wenn Sie damit nicht umgehen können, sagen Sie es gleich! Dann sollte Ihnen der Apotheker ganz genau zeigen, wie das Aufziehen des Insulins aus dem Fläschchen in die Spritze funktioniert.
Die Kunst des Insulinaufziehens aus einem Fläschchen schon vorab zu erlernen, das empfehle ich allen Weltenbummlern, Backpackern, Weltreisenden und allen, die in exotischen, abgelegenen Gebieten weit abseits der Touristenströme unterwegs sind. Vielleicht auch ein paar Einmal-Insulinspritzen dabeihaben.
So, das war’s auch schon! Also los, trauen Sie sich – machen Sie Ihre Traumreise! Und das junge Pärchen auf Weltreise? Nun ja, die sind wieder da – und Klein Timmi krabbelt schon!