Nicht nur in der Therapie des Diabetes hat sich vieles geändert, auch in der Selbstkontrolle unserer Blutzuckerwerte ist ein Paradigmenwechsel eingetreten. Die Zeiten, in denen wir den Nüchternwert für das Maß aller Dinge gehalten haben und Tagesprofile mit Werten von 4 bis 10 notwendig waren, um die Einstellung zu überprüfen und in weiterer Folge dann auch zu optimieren, sind für viele vorbei. Ich möchte aber gleich an dieser Stelle anführen, dass nicht jede Diabetikerin und jeder Diabetiker eine sensorgestützte BZ-Selbstkontrolle benötigt; für viele ist eine punktuelle Bestimmung zu unterschiedlichen Zeiten vor und nach den Mahlzeiten absolut ausreichend. Der wichtigste Aspekt sind dabei eher die Dokumentation und die mit den Betroffenen vorab zu vereinbarenden Ziele für die BZ-Werte! Daran können wir dann den Erfolg der Einstellung sehen. Aber auch eine passagere Sensornutzung zum Kennenlernen der BZ-Verläufe unter verschiedenen Alltagssituationen kann einen großen Informationsgewinn und Lerneffekt darstellen.
Wenn jetzt ein Sensorsystem in Verwendung ist, gibt es einige springende Punkte, die von Betroffenen und betreuenden Diabetesteams als Parameter für die Qualität der Stoffwechseleinstellung herangezogen werden können. Da hier die Farben eine sehr gut beschreibende Funktion übernommen haben, haben wir dies auch in den oben genannten Titel einfließen lassen.
Zuallererst werden von uns gemeinsam mit den Patienten die Zielbereiche für den BZ-Verlauf besprochen und festgelegt. In der Regel sind dies Werte zwischen 70 und 180 mg/dl, das heißt, zwischen diesen beiden Punkten sollte unser Blutzucker im 24h-Profil schwanken, und dieser Bereich wird auch als GRÜN bezeichnet.
Optimal beginnt es ab 70 % zu werden, allerdings wird von uns in einer schrittweisen Herangehensweise versucht, sich diesem Wert anzunähern. Wichtig finde ich, dass die Betroffenen davon wissen und sich regelmäßig diese Analyse vor Augen führen. Am besten wäre, einmal pro Woche diese Grafik anzusehen. Sehr oft sind es nur kleine Schritte, aber auch eine langsame und stetige Entwicklung in die Richtung hin zu 70 % plus ist positiv zu interpretieren.
Damit verbunden ist auch immer der Blick auf einen weiteren Bereich dieser Grafik, den Bereich unterhalb des Zieles, d. h. unter 70 %. Wir nennen dies die „Zeit unterhalb des Zielbereiches“, der meist in 2 Teile gegliedert wird: die Zeit unter 70 mg/dl und die Zeit unter 55 mg/dl. Diese beiden Bereiche beschreiben die Zeit in der Hypoglykämie und sollten gemeinsam einen so gering wie möglichen Prozentsatz ausmachen. Unter 4 % wird als Grenzwert angesehen; alles, was darüber liegt, sollte hinterfragt werden. Wenn ich mich mit meiner Insulindosis zu oft verschätzt und zu viel gewählt habe, dann habe ich Bewegung ohne ausreichende Kohlenhydratunterstützung gemacht. Zu viel Bewegung gibt es nicht, aber sehr wohl nichtberücksichtigte Bewegung. Ich bin mir absolut bewusst, dass dies für Betroffene oft sehr herausfordernd sein kann und viel Beschäftigung mit der Materie erfordert. Wir haben mit den Sensorsystemen aber nun eine technische Unterstützung an der Hand, die uns Hypos früher erkennen lässt (akustische oder vibrationstechnische Warnungen) und ausreichende und zeitgerechte Gegensteuerung möglich macht.
Diese Grafiken lassen sich in einfachster Weise auf dem Handy oder auch auf den eigenen kleinen Messgeräten der Sensorfirmen ablesen. Wenn die Daten auf den PC übertragen werden, lassen sich sehr viel mehr Details ablesen; allerdings eignen sich die zuvor genannten Grafiken absolut zur einfachen Orientierung.
Ergänzend möchte ich noch auf die Möglichkeit der automatisierten Glukosedurchschnittserfassung hinweisen. Diese ist ebenfalls an das Farbmuster GRÜN/GELB/ROT angebunden, und wir haben die Möglichkeit, in verschiedenen Zeitfenstern eine 24h-Übersichtsdarstellung zu sehen. Hier sollte der Wert gemeinsam mit den betreuenden Diabetes-Team definiert werden. Diese Werte sind immer in Zusammenschau mit der Frequenz an Unterzuckerungen zu betrachten. Ein Bereich zwischen 110 und 150 kann als sehr gut bezeichnet werden, wenn nicht vermehrt Hypos diese Parameter „positiv“ verfälschen.
Abschließend möchte ich noch einen Parameter wieder ins Gedächtnis rufen, der allerdings nur in der PC-Analyse abgefragt und dokumentiert werden kann. Der Glukosevariationskoeffizient klingt kompliziert, ist es aber nicht wirklich. Er beschreibt die Variabilität der täglichen Glukosekurven sowie die Variabilität zwischen den einzelnen Tagen. Hier sollte unser Ziel ein Wert unter 36 % sein. Dies ist oft mit einer PEN-Therapie aufgrund der häufig sehr aufwendigen Insulinanpassungsnotwendigkeit schwierig umzusetzen und des Öfteren ein gutes Argument für den Versuch, ein Insulinpumpensystem im Hybrid-Closed-Loop-System zu verwenden, da hier der Basalbedarf im Automodus individuell definiert wird und auch die automatisierten Korrekturboli helfen, die Blutzucker-Auslenkungen vor allem nach den Mahlzeiten besser in den Griff zu bekommen.
Zusammenfassend sind die Grünen Bereiche unser individuell zu definierendes Ziel. Gewiss ist jedoch eine Tatsache: Wenn es uns gelingt, die oben angeführten Bereiche von 1.) Zeit im Zielbereich, 2.) Zeit unter dem Zielbereich, 3.) mittlere Blutglukose (Glukosedurchschnitt) und damit verbunden unser Tagesmuster immer wieder selbst anzusehen (vorzugsweise 1-mal/Woche), dann haben wir die Chance, ein besseres und in vielen Fällen vielleicht auch stabileres Blutzuckerprofil zu erreichen. Der Hba1c allein beschreibt nicht die umfassende Qualität unserer Einstellung. Ich möchte Sie an dieser Stelle auffordern und motivieren, sich die Punkte anzusehen, ganz bewusst mit ihrem Diabetesteam zu diskutieren und bei Bedarf diese Tools zu nützen, um am Ende des Tages einen besseren Blutzuckerverlauf zu erzielen.

Prim. Dr. Christian Schelkshorn
seit über 40 Jahren Typ-1-Betroffener und
mehr als 30 Jahre am LKH Korneuburg/Stockerau