Jeder, der an einer der beiden Erkrankungen leidet, sollte auch sein persönliches Risiko für die jeweils andere beachten und beobachten. In der Früherkennung ist hier das Engagement der Allgemeinmedizin von besonderer Bedeutung. Diabetes allein ist bereits eine Krankheit mit hohen organisatorischen Anforderungen. Betroffene müssen zumeist mehrmals täglich Blutzucker messen, ihre Ernährung auf die Behandlung abstimmen und ausreichend Bewegung in ihren Alltag einbauen.
„Bei Menschen mit Diabetes ist auf die Herzgesundheit ein besonderes Augenmerk zu legen“, berichtet Univ.-Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer von der Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der MedUni Wien und Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft. „Die Betroffenen selbst haben oft mehr Angst vor anderen möglichen Folgeerkrankungen des Diabetes, die augenscheinlicher sind, wie Amputationen, Erblindung oder Nierenversagen. Deutlich häufiger folgen aber Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems auf einen nicht erkannten oder nicht optimal behandelten Diabetes. Obwohl neue Untersuchungen zeigen, dass aufgrund der besseren Behandlung die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Diabetes im letzten Jahrzehnt sogar stärker rückläufig war als bei Nichtdiabetikern, verstirbt noch immer ungefähr die Hälfte der Menschen mit Diabetes an Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschwäche, Rhythmusstörungen oder anderen Gefäßkomplikationen. Auffällig ist dabei auch, dass gerade Frauen und junge Menschen mit Diabetes weniger profitiert haben.“
Die Präsidentin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG), Prim.a Univ.-Prof.in Dr.in Andrea Podczeck-Schweighofer von der 5. Med. Abteilung im Sozialmedizinischen Zentrum Süd – Kaiser-Franz-Joseph-Spital, ergänzt: „34.000 Österreicherinnen und Österreicher erleiden pro Jahr einen Herzinfarkt. Jeder vierte Patient mit einem Herzinfarkt hat Diabetes. Viele wissen es vorher noch gar nicht und erfahren das im Zuge der Behandlung in der Kardiologie. Bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit liegt die Wahrscheinlichkeit einer Diabeteserkrankung bei über 60 Prozent.“
Diabetes und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems gehen Hand in Hand
Der Begriff Herz-Kreislauf-Erkrankungen umfasst viele verschiedene Erkrankungen, die das Herz und die Blutgefäße betreffen: Am bekanntesten ist der Herzinfarkt, aber auch die Herzschwäche oder die sogenannte koronare Herzkrankheit, bei der Blutgefäße, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen, beeinträchtigt sind, zählen zu diesen. Weitere Gefäßkrankheiten sind der Schlaganfall im Gehirn und die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), vor allem in den Beinen. Ein chronisch hoher Blutzucker begünstigt die Arteriosklerose (Gefäßverkalkung), die Ursache all dieser Erkrankungen. Zum Beispiel ist bei Männern mit Diabetes das Herzinfarktrisiko um das Zwei- bis Dreifache höher als bei gesunden und bei Frauen mit Diabetes sogar bis um das Vierfache.
Zucker schadet – direkt und indirekt
Ein Zuviel an Zucker ist Gift für die Gefäße. Schädigungen der Gefäße werden beim gesunden Menschen durch Reparaturmechanismen im Lauf der Zeit ausgeglichen. Durch einen Überschuss an Zucker im Blut verringert sich diese Regenerationsfähigkeit der Gefäßwände um etwa 80 Prozent. Dadurch fördert Diabetes, bei dem der Zucker im Blut gar nicht oder nicht schnell genug abgebaut wird, direkt die Gefäßverkalkung. Zusätzlich haben Menschen mit Typ-2-Diabetes sehr häufig weitere Risikofaktoren für Gefäßverkalkungen. Dazu zählen vor allem schlechte Blutfettwerte und erhöhter Blutdruck sowie eine Fettleber und im Besonderen bauchbetontes Übergewicht. Auch das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom, an dem viele Menschen mit Diabetes leiden, begünstigt einen Herzinfarkt. Typisch dafür sind lautes, unregelmäßiges Schnarchen, Atemaussetzer und starke Tagesmüdigkeit. Rauchen ist ebenfalls ein wichtiger Risikofaktor für einen Herzinfarkt und gleichzeitig für Diabetes.
Wie der Herzinfarkt entsteht
Der Herzmuskel wird von den sogenannten Koronar-Arterien mit Blut versorgt. Sie umfassen den Herzmuskel wie ein Kranz. Wenn sich in einer der Koronar-Arterien ein Gefäßverschluss ereignet, wird dieser Teil des Herzens nicht mehr mit Blut versorgt. Wird diese Durchblutung nicht rasch wiederhergestellt, stirbt das betroffene Herzmuskelgewebe ab. Das bezeichnet man als Herzinfarkt.
„Gerade bei Frauen mit Diabetes sind vor der Menopause auch Herzerkrankungen häufig ohne nachweisbaren Gefäßverschluss aufgrund von Durchblutungsstörungen der kleinsten Gefäße und Gefäßverkrampfungen“, ergänzt Kautzky-Willer. „Insgesamt ist jedenfalls das relative Risiko, nach einem Herzinfarkt zu versterben, bei Frauen mit Diabetes höher als bei Männern mit Diabetes.“
Geringere Nervenleitfähigkeit bei Diabetes – Herzinfarkt wird nicht sofort erkannt
Bei Menschen mit Diabetes, die einen Herzinfarkt bekommen, fehlen oft infarkttypische Warnzeichen. Sie erkennen nicht, dass sie gerade einen Herzinfarkt erleiden. Ein chronisch hoher Blutzucker führt nämlich auch zu Störungen des Nervensystems. Symptome wie die heftigen Brustschmerzen, die entscheidend sind, um die lebensbedrohliche Situation eines Herzinfarkts richtig einzuschätzen, werden nicht wahrgenommen. So werden notfallmedizinische Maßnahmen oft verspätet eingesetzt.
Konsequente Diabetes-Behandlung minimiert das Infarkt-Risiko
Das Risiko für einen Herzinfarkt bei Diabetes mellitus kann durch eine optimale medikamentöse Behandlung des Diabetes gesenkt werden. Wichtig ist, dass gleichzeitig auch alle anderen Risikofaktoren Beachtung finden. Dies erfordert eine Änderung des Lebensstils, also gesunde Ernährung, Rauchstopp, Gewichtsreduktion bei Übergewicht und tägliche Bewegung. „Die gute Nachricht: Eine aktuelle Untersuchung aus Schweden beweist, dass wenn bei Typ-2-Diabetes fünf wichtige Risikofaktoren (HbA1c als Maß für die Stoffwechseleinstellung, LDL-Cholesterin, Eiweißausscheidung im Harn, Rauchen und Blutdruck) im Zielbereich liegen, auch das erhöhte Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall und die erhöhte Sterblichkeit verschwindet“, betont Kautzky-Willer.
Nach Entdecken der einen Erkrankung müssen die Anzeichen für die andere beobachtet werden. „In der Kardiologie konnten wir große Fortschritte bei der Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erreichen. Beispiele dafür sind die Weiterentwicklungen bei Stents und Bypass. Aber auch die medikamentöse Therapie des Diabetes hat großen positiven Einfluss auf kardiologische Erkrankungen“, Podczeck-Schweighofer appelliert an die AllgemeinmedizinerInnen: „Die wichtigste Schnittstelle in der Früherkennung sind hier die Hausärztinnen und Hausärzte: Wenn diese Vorsorgeuntersuchungen proaktiv anbieten, ist viel gewonnen, denn die Früherkennung von Diabetes hilft entscheidend bei der Erhaltung der Gefäße. Menschen mit Diabetes, aber auch Menschen mit einer Herzkrankheit sollten die Risikofaktoren für die jeweils andere Erkrankung überprüfen lassen.“
Kautzky-Willer ergänzt: „Neue Lipidsenker, Blutverdünnungsmittel und Blutdruckmedikamente und aktuell auch innovative Diabetes-Medikamente, die zusätzlich zur Blutzuckersenkung auch das Herz-Kreislauf-Risiko vermindern, tragen zur besseren Lebensqualität und Abnahme der Sterblichkeit bei; neue internationale Konsensus-Empfehlungen für die Behandlung des Typ-2-Diabetes stellen die Besonderheit in der Behandlung von Hochrisikopatienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ins Zentrum.“ Sie betont abschließend: „Schon im Vorstadium des Diabetes Typ 2 mit Erhöhung des Nüchternblutzuckers oder überhöhtem Anstieg des Blutzuckers nach Nahrungsaufnahme kommt es zu Schädigungen der Gefäße. Daher sollten alle Menschen und vor allem jene mit einem erkannten Diabetes an ihre Herzgesundheit denken!“

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