Spannende süße Zeiten!

Erstaunlicherweise lösen nicht nur die bekannten Zuckerarten wie Saccharose oder Glukose einen süßen Geschmack auf unserer Zunge aus, sondern auch einige Proteine. Bisher sind immerhin acht süß schmeckende Proteine (SP) bekannt, die man alle aus natürlichen Rohstoffen gewinnen kann (siehe Tabelle). Leider sind diese Proteine aber nicht ganz problemlos als Süßungsmittel für den menschlichen Verzehr einsetzbar, denn es müssen zuvor mehrere sensorische, technologische und rechtliche Hürden überwunden werden. Das ist sicher ein Grund, warum in der EU bisher nur Thaumatin (E957) und in den USA neben Thaumatin nur noch Brazzein für den menschlichen Verzehr zugelassen ist.


Worin bestehen die zu lösenden Probleme? Die meisten SP sind nicht temperaturstabil, das heißt, sie ändern ihre Struktur durch die Hitze dermaßen, dass sie nicht mehr süß schmecken. Das hat zur Folge, dass man sie nicht in Lebensmitteln verwenden kann, die pasteurisiert oder sterilisiert werden müssen, um mikrobiologisch stabil zu werden. Ein weiteres Problem ist ihre mangelnde pH-Stabilität: Manche SP denaturieren im sauren Milieu, und man kann sie daher nicht in sauren Lebensmitteln wie Erfrischungsgetränken einsetzen. Dazu kommt, dass der süße Geschmack der SP oft nicht rein ist, sondern sie haben einen unerwünschten Neben- oder Nachgeschmack. Auch die zeitliche Entwicklung des Süßgeschmacks von SP ist mitunter ein Problem. Thaumatin beispielsweise hat einen sehr lang anhaltenden Süßgeschmack, und Brazzein beginnt erst nach 2 bis 3 Sekunden auf der Zunge süß zu schmecken und nicht wie Zucker innerhalb kürzester Zeit.

Die gesundheitlichen Effekte auch eines langfristigen und intensiven Konsums sind meist unklar und müssen vor dem Inverkehrbringen selbstverständlich geklärt sein. SP könnten beispielsweise allergen wirken oder das Darm-Mikrobiom unerwünscht verändern, was ebenfalls abgeklärt werden muss. All diese Aspekte und weitere Fragen der Produktsicherheit werden von der EFSA, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit in Parma, in einem intensiven Zulassungsverfahren geprüft. Erst nach einem positiven Bescheid darf das Produkt dann auf den Markt kommen. Ein weiteres beträchtliches Problem ist die Produktion der SP in einem Maßstab, der es wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lässt, sie überhaupt auf den Markt zu bringen. Ein Anbau der Pflanzen und die Extraktion der SP sind technisch zu kompliziert, daher zu kostspielig und wären wohl auch ökologisch problematisch.


Es gibt drei Hauptgründe, warum man süßen Proteinen trotz dieser beträchtlichen Problemlage eine Chance gibt und beträchtliche Hoffnungen in sie setzt.


Erstens ist der Zuckerverbrauch v. a. in den ökonomisch entwickelten Ländern viel zu hoch, was zu vielen chronischen Erkrankungen führt: Karies, Übergewicht, Adipositas, metabolisches Syndrom, Diabetes usw. Es gibt eine starke Evidenz, dass Zucker in Erfrischungsgetränken und Energy Drinks die Wahrscheinlichkeit von Übergewicht und Adipositas plus Folgeerkrankungen bei Erwachsenen stark erhöht. Bei Kindern ist diese Evidenz nur mäßig. Neue potente Süßstoffe könnten jedenfalls helfen, diese Situation zu verbessern.


Zweitens sind einige Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe, die bereits in Verwendung sind, in Verruf geraten, gesundheitlich nicht völlig unbedenklich zu sein. Die WHO schätzt Aspartam als „möglicherweise karzinogen“ ein, und Zuckeralkohole stehen im Verdacht, das Darm-Mikrobiom zu verändern und die Schlaganfall- und Herzinfarktwahrscheinlichkeit zu erhöhen. Das sind sehr schwache Risiken, aber immerhin Risiken. Daher sucht man nach Ersatz, der gesundheitlich völlig unbedenklich ist.


Drittens ermöglichen die gentechnische Modifikation und die biotechnologische Produktionsweise der SP sowohl ihre sensorische und funktionale Optimierung als auch die Lösung der produktionstechnischen Probleme.


Thaumatin ist schon längere Zeit auf dem Markt. Es hat eine langanhaltende Süße, was bei manchen Produkten wie Kaugummis beispielsweise durchaus erwünscht ist, aber auch einen lakritzeartigen Nachgeschmack. Hergestellt wird Thaumatin biotechnologisch in gentechnisch veränderten Hefen, aber leider ist Thaumatin nicht temperaturstabil, was die Einsetzbarkeit in der Lebensmittelverarbeitung stark einschränkt – einen Massenmarkt gibt es daher für Thaumatin nicht.


Das erfolgversprechendste SP ist momentan Brazzein. Es wurde in der Frucht einer westafrikanischen Lianenpflanze gefunden, die dort von Affen und Menschen seit langer Zeit verzehrt und als angenehm süß geschätzt wird. Das natürlich vorkommende Brazzein hat im Vergleich zu Zucker eine 500- bis 2.000-fache Süßkraft, weist aber nur einen geringen Energiegehalt auf, weil es ein sehr kleines Protein ist, das nur aus 54 Aminosäuren besteht. In Mischungen mit anderen Süßstoffen verliert es seinen etwas kratzigen Nebengeschmack und gilt auch als gut verträglich für Diabetiker*innen. Diese Eigenschaften machen Brazzein sehr attraktiv als möglichen Zuckerersatzstoff in der Lebensmittelproduktion.


Daher hat sich das Fraunhofer Institut in Deutschland in einem vielbeachteten Projekt mit Brazzein beschäftigt und eine biotechnologische Produktionsweise von Brazzein in Hefezellen (Pichia pastoris) entwickelt. Zuvor wurde der Brazzein-Wildtyp gentechnisch so optimiert, dass das modifizierte Brazzein X3 einen reinen, honigartigen Geschmack aufweist und ca. 10.000-mal süßer als Haushaltszucker ist. Zudem ist die entwickelte Brazzein-Variante X3 über einen weiten pH-Bereich temperaturstabil und gut wasserlöslich. Man kann dieses Brazzein daher beispielsweise auch problemlos in Backwaren verwenden. In einem Produktprototypen, einem kakaohältigen Getränk, das in diesem Projekt entwickelt worden war, konnte Brazzein für einen optimalen Geschmack den Zucker aber nur zu etwas enttäuschenden 50 % ersetzen. Koreanische Studien zeigten, dass Brazzein positive gesundheitliche Effekte haben könnte, denn es wirkt entzündungshemmend, antiallergisch sowie antioxidativ. Aufgrund seines geringen Kaloriengehalts könnte Brazzein tatsächlich ein wirksamer Zuckerersatz zur Unterstützung der Gewichtsabnahme sein, wie Laborversuche mit Mäusen zeigen. Diese Mäuse wurden mithilfe fettreicher Ernährung übergewichtig gemacht, und dann gab man einer Gruppe Brazzein und der anderen Gruppe Zucker ins Trinkwasser. Die Mäuse mit Brazzein im Trinkwasser verloren an Gewicht, und ihre metabolischen Erkrankungen verbesserten sich deutlich. Außerdem verringerte der Verzehr von Brazzein durch die fettleibigen Mäuse vor einer Schwangerschaft auch das Fettleibigkeitsrisiko der Nachkommen, während die Nachkommen von saccharosekonsumierenden, fettleibigen Mäusen vermehrt Fettleibigkeit und Stoffwechselstörungen aufwiesen.

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