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Mein innerer Schweinehund und ich gehen Schwimmen

Die liebe Frau steht in der Tür zu meinem Büro und sagt: „Liebling, Essen wäre fertig. Kommst du?“ Da lasse ich mich natürlich nicht zweimal bitten!  Ächzend wuchte ich mich aus meinem Schreibtischsessel, weil mir wieder einmal der Rücken vom vielen Sitzen Probleme macht. Und wieder einmal ernte ich von der lieben Frau diesen gewissen Blick. Und als ob der noch nicht vielsagend genug wäre, erhalte ich dazu noch die übliche Predigt: „Alter, du musst echt was machen! So geht das nicht weiter. Du darfst A nicht mehr so viel arbeiten, du musst B ein paar Kilo abnehmen, also such dir C gefälligst einen Sport.“


Ich will ja nicht behaupten, dass mir das den Appetit verdorben hätte, aber ich gebe zu, dass das folgende gemeinsame Abendessen ein wenig schweigsam verlief. „Also?“, war eigentlich das Einzige, was die liebe Frau gegen Ende der Mahlzeit fragte. Worauf ich schuldbewusst antwortete: „Irgendwelche Vorschläge?“ Aus der Geschwindigkeit, mit der ihre Antwort folgte, konnte ich schließen, dass die liebe Frau sich das schon genau überlegt hatte: „Schwimmen!“


Da ich – was das Überlegen angeht – der lieben Frau gegenüber etwas im Nachteil war, begann ich nunmehr mir selber einige Gedanken zu machen. „Schwimmen also. Warum auch nicht? Wir waren schließlich schon einige Male in der einen oder anderen Therme gewesen, und das war gar nicht mal so schlecht. Man lümmelt im warmen Wasser am Beckenrand, lässt sich ein bisschen von den Düsen massieren...“ Weiter kam ich nicht mit meinen Gedanken, weil sie die liebe Frau natürlich erraten hatte. „Nicht was du denkst! Du gehst richtig schwimmen. Also im Sportbecken Bahnen auf und ab schwimmen. Mindestens zwanzig. Für den Anfang. Und wenigstens einmal die Woche!“


Ich schaute sie entgeistert an. Und vor meinem geistigen Auge tauchten Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten auf. Genauer gesagt, aus der Schulzeit. Ich erkannte ganz genau den schon damals etwas pummeligen kleinen Erich in der viel zu engen Badehose, wie er da zitternd und tropfend am Beckenrand stand und darauf wartete, mit seinen Mitschülern um die Wette schwimmen zu müssen. Ich vermeinte sogar, dass mir dieser übliche Schwimmbadgeruch in die Nase stieg.


„Ähhh...“, begann ich, doch die liebe Frau schnitt mir das Wort ab und klärte mich darüber auf, wie gut und wie wichtig doch das Schwimmen für meinen Rücken wäre. Und natürlich nicht nur für den Rücken und dessen Muskulatur. Nein, auch für die Arme und die Schultern. Außerdem wird die Ausdauer, die Lungenfunktion und die Durchblutung gefördert. „Du schaffst das schon“, meinte die liebe Frau abschließend, und damit war das Thema für sie mehr oder weniger erledigt. Und ich auch. „Meinst du, ich brauche eine Badehaube?“, fragte ich noch angesichts einer weiteren üblen Erinnerung an die Schulzeit. Sie schaute mich und mein schon ein wenig schütter werdendes Haar ein wenig mitleidig an. „Du nicht.“


Gleich am nächsten Morgen drückte mir die liebe Frau die fertig gepackte Sporttasche mit angeblich allem, was ich für meinen ersten Schwimmtag brauchen würde, in die Hand, küsste mich wenigstens zum Abschied und entließ  mich in die Welt des Sports. Ich sagte dem Dackel Adieu, der mich mindestens ebenso traurig ansah wie ich mich fühlte, und machte mich auf den Weg zum städtischen Hallenbad. Es gibt sicher viele Menschen, für die solch ein Weg das Normalste von der Welt ist. Für mich war das jedoch tatsächlich eine völlig neue Erfahrung. Und ich war ein wenig nervös.


Das Hallenbad sah von außen noch fast genau so aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Daher war ich umso erfreuter, feststellen zu dürfen, dass die Stadtverwaltung die letzten gut dreißig Jahre dazu genutzt hatte, sein Inneres von Grund auf zu sanieren. Alles war hell und modern und sauber. Aber nicht so klinisch sauber wie zum Beispiel ein Krankenhaus. Das Bad machte von innen einen richtig freundlichen Eindruck und versuchte sogar, so etwas wie eine Wohlfühlatmosphäre zu versprühen. Selbst der früher so penetrante Chlorgeruch war nur ganz leicht wahrzunehmen. Nachdem ich der freundlichen Dame am Empfang mein Vorhaben geschildert und mich nach den Eintrittspreisen erkundigt hatte, empfahl sie mir den Kauf einer Jahreskarte. Davon nahm ich jedoch nach reiflicher Überlegung – obwohl das Angebot finanziell durchaus verlockend war – Abstand und entschied mich vorerst für eine Monatskarte. Eine 2-Stunden-Karte wäre auch möglich gewesen, aber das traute ich mich nicht. Sie wissen schon, wegen der lieben Frau.


Die Umkleidekabinen ließen kurz noch einmal ein paar Erinnerungen aufkeimen, aber nun stand ich schon in meinem Bademantel vor einem Plakat und studierte die Schwimmbadregeln. Alles klar. Ich besetzte mit meinem Handtuch eine der freundlicherweise zur Verfügung gestellten Ruheliegen, packte meinen Bademantel dazu und ging duschen, wie sich das gehört. Dann steckte ich erst einmal vorsichtig einen Zeh ins Wasser, um die Temperatur zu prüfen. Nicht gerade warm, aber wohltemperiert. Und dann wurde ich doch gleich übermütig. Ich kletterte auf einen der Startblöcke, und mit einem – wie ich meine – gelungenen „Köpfler“ tauchte ich ins Sportbecken. Und dann schwamm ich! 25 Meter in die eine Richtung, Wende, 25 Meter in die andere Richtung. Eine Lage Brust, dann Rücken, dann eine schnelle Kraulstrecke und so weiter. Es machte richtig Spaß! Ich weiß nicht, wie viele Lagen ich geschwommen bin. Aber die von der lieben Frau verlangten 20 waren es auf jeden Fall. Hin und wieder verschnaufte ich am Beckenrand oder hing auf einer der rot-weißen Schwimmleinen, die die Bahnen voneinander trennten, und nach einer guten Stunde gönnte ich mir eine Pause auf der Liege. Zufrieden mit mir und meiner Leistung und richtig froh, den inneren Schweinehund bezwungen zu haben und hierhergekommen zu sein. Ich werde wohl wiederkommen. Vielleicht hätte ich doch die Jahreskarte nehmen sollen.


Die Zeit auf der Liege nutzte ich, um mich ein wenig umzusehen. Sehr viel war um diese Zeit im Bad nicht los. Außer mir zogen nur zwei weitere Männer stoisch ihre Bahnen. Aber im Becken nebenan – im sogenannten Lehrbecken, wie ich noch erfahren sollte – tummelte sich eine ganze Gruppe Damen. Und ein Herr, soviel ich erkennen konnte. Alle hatten bunte Plastikwürste und hopsten damit nach den Kommandos einer nicht unattraktiven Trainerin im Wasser herum. Ich erhob mich von meiner Liege. Das würde ich mir mal aus der Nähe anschauen...


aqua gymnastik


Mein innerer Schweinehund und ich machen Aquagymnastik


Ich ging also rüber zum Lehrbecken. Da ich weder unhöflich sein wollte, noch den hin- und herhüpfenden Damen – und dem Herrn – das Gefühl geben wollte, dass sie es mit einem Gaffer zu tun hätten, fragte ich die wirklich sehr sportlich konstruierte Trainerin, ob ich denn wohl ein Weilchen bei dem Treiben zusehen dürfe. Ich durfte. Also setzte ich mich an den Beckenrand, ließ meine Beine im Wasser baumeln und guckte. Ich zählte die Teilnehmerinnen. Es waren acht. Und wie schon vermutet ein Teilnehmer. Alle nicht mehr ganz jung und hatten daher wahrscheinlich die Zeit, unter der Woche den Vormittag im Schwimmbad zu verbringen. Und alle schienen mächtig Spaß zu haben. Ich saß noch nicht lange, als Bettina – so hieß die Trainerin – ein neues Kommando ausgab: „Hampelmann!“ Sofort packten die „Aquagymnastiasten“ ihre bunten Poolnudeln an den Enden, bogen sie unter Wasser zu einem „U“ und begannen auf „Eins“ in die Grätsche zu hüpfen, wobei sie die Arme ausstreckten – wodurch die Nudeln an die Wasseroberfläche ploppten – und auf „Zwei“ wieder in die Ausgangsstellung mit geschlossenen Beinen und den zu einem „U“ gebogenen Nudeln zurück. Die Bettina machte die Übung währenddessen am Beckenrand – ohne Nudel – vor. Diese Übung machten sie eine Zeitlang. Und ich ertappte mich dabei, wie ich unwillkürlich die Bewegungen mitmachte. Zumindest mit den Beinen im Wasser.

Nicht mit den Armen. Das hätte dann vielleicht doch etwas eigenartig ausgesehen. Der Bettina dürfte das jedoch aufgefallen sein. Sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln und deutete mit einem leichten Kopfnicken an, dass ich doch ins Wasser hüpfen und mitmachen möge. Mochte ich aber nicht und übersah diese Aufforderung gewissentlich, hoffte aber, dass sie nicht zu enttäuscht darüber war. Aber wahrscheinlich war es ihr egal. Und überhaupt musste sie das nächste Kommando geben: „Hexenbesen!“ Auch diese Übung dürfte den Kursteilnehmerinnen und dem einen Kursteilnehmer bereits vertraut gewesen sein. Denn Sie hockten sich – naja, wie auf Kommando eben – auf ihre Schwimmnudeln und begannen mit den Armen vorwärts bzw. zurück zu paddeln. Diese Übung musste die Bettina nicht vormachen. Und auch meinereiner am Beckenrand sitzend machte sie nicht mit. Dafür wäre ich fast vor Schreck ins Wasser geplumpst, als ich plötzlich ihre Stimme hinter meinem Rücken vernahm: „Fördert die Gleichgewichtsfähigkeit und stärkt die Armmuskulatur.“ Erschrocken blickte ich zu ihr hoch und nickte verständig.


Es folgten noch weitere Übungen wie „Gleiter“ oder „Fahrrad fahren“ und ich sah weiterhin zu. Bis dann das Kommando kam: „Lokomotive!“ Und da gab es jetzt offensichtlich ein Problem. Denn bei dieser Übung stehen jeweils zwei Teilnehmerinnen – den einen Teilnehmer hatte sich sofort eine Dame im pink Badeanzug mit passender Badehaube geschnappt – hintereinander, halten ihre Nudeln seitlich an den Enden fest und joggen so durch das Wasser, wobei die Nudeln im Rhythmus der Arme unter Wasser vor und zurück bewegt werden. Und das sieht dann halt ein bisschen wie eine alte Dampflok aus. Nun blieben aber, nach Abzug der pink Dame, die den einen Herrn für sich in Beschlag genommen hatte, noch sieben Teilnehmerinnen übrig. Was bedeutete, dass für eine keine Partnerin mehr blieb. Und jetzt schaute mich nicht nur die Bettina – die üblicherweise wahrscheinlich als Ersatz eingesprungen wäre – auffordernd an, sondern auch noch eine Dame im groß geblümten Badeanzug, die dafür sogar extra ihre Schwimmbrille auf die Stirn hochgeschoben hatte. Ich deutete zunächst mit dem Finger fragend auf mich, und fuchtelte anschließend abwehrend mit beiden Händen. Es half nichts. Die Bettina hielt mir eine Schwimmnudel hin, ich nahm sie zögerlich und ließ mich unter allgemeinem Applaus vom Beckenrand ins Wasser gleiten. Die Bettina schaute zufrieden aus und die Blumendame strahlte. Und ich dachte an die liebe Frau zuhause und konnte mir lebhaft vorstellen, wie sehr sie sich jetzt auf meine Kosten amüsiert hätte.


Wegen mir Anfänger musste die Übung noch kurz erklärt werden. Und ich erfuhr auch, wozu sie gut ist. Sie fördert die Herz-Kreislauf-Ausdauer und kräftigt die Arm-und Schultermuskulatur. Bei meiner chronisch verspannten Schulter kam mir dies also gar nicht ungelegen und so legten wir los. Die Übung war nicht anstrengend. Vor allem weil im Wasser ohnehin alles viel leichter und schwereloser geht. Aber auch nicht so leicht, wie man vielleicht denken möchte. Meine Partnerin und ich meisterten die Übung jedenfalls mit Bravour und weil wir gerade so schön paarweise beieinander standen, hatte die Bettina noch eine weitere Pärchenübung für uns: „Surfbrett Duo“. Wir mussten eine unserer Nudeln unter Wasser drücken und uns mit den Füßen darauf stellen. Das war gar nicht mal so einfach und sorgte für reichlich Gelächter, wenn die eine oder andere Nudel wie ein Pfitschipfeil nach oben geschossen kam, weil noch niemand richtig drauf stand. Die Hände werden bei dieser Übung auf die andere Nudel gelegt, die auf der Wasseroberfläche schwimmt. Und dann muss man – möglichst gleichzeitig – sein Gewicht vor- und zurückbewegen. Dass diese Übung der Gleichgewichtsschulung dient, braucht wohl nicht extra erwähnt werden.


Es war dies die letzte Übung für diese Trainingseinheit. Und ich war nicht ganz unglücklich darüber. Die übrigen Teilnehmer beeilten sich aus dem Wasser und in die Umkleidekabinen zu kommen. Mich nahm sich noch die Bettina vor: „Na, ist doch gar nicht so schlecht, wenn man den inneren Schweinehund überwindet und ein bisschen Sport macht, oder?“ Schon wieder dieser Schweinehund! Und von wegen! Meine Teilnahme war doch eigentlich die reinste Erpressung! Andererseits: sieht man mir meine Unsportlichkeit wirklich so an? Die Bettina meinte: „Ja“. Und bestätigte damit wohl auch die Meinung der lieben Frau. Also versuchte ich mit der sportlichen Bettina bei einem kleinen Plausch noch ein wenig das Für und Wider der Aquagymnastik zu erörtern. Aber leider... Die Bettina schaute zu dem nicht nur sportlichen sondern viel eher mächtig durchtrainierten Bademeister, der beim Sportbecken an einer Säule lehnte und ungeduldig auf seine vielleicht goldende, vielleicht echte Rolex deutete, und erklärte mir, dass sie leider noch eine Verabredung habe. Aber sie empfehle jedem – und mir ganz im Besonderen – einen Schnupperkurs zu besuchen. Da würde ich alles ganz genau erfahren. Und damit beeilte sie sich, zu ihrem Date zu kommen. Allerdings blieb sie noch einmal kurz stehen, um mir eine Empfehlung mit auf den Heimweg zu geben: „Wenn Sie, wie ich vermute, ein wenig abnehmen und etwas für den Muskelaufbau tun wollen, dann ist 1 x pro Woche sicherlich zu wenig. Sie dürfen gerne 2-3 Trainingseinheiten einplanen! Wir

sehen uns...“ Und weg war sie.


Was soll ich jetzt abschließend noch schreiben? Vielleicht interessiert es Sie ja, dass ich den Schnupperkurs wirklich besucht habe, jetzt eine – kostenmäßig wirklich vorteilhafte – Jahreskarte für das Hallenbad besitze und regelmäßig schwimmen und auch zur Aquagymnastik gehe. Ich habe mich für den Fortgeschrittenenkurs entschieden, bei dem ich schon beim ersten Mal unfreiwillig reingeschnuppert habe. Also nicht fortgeschritten was das Trainingsziel angeht. Eher das Alter. Und das auch hauptsächlich wegen der Kurszeiten. Wochentags am Vormittag, wenn im Hallenbad angenehm wenige Leute sind. Schließlich kann ich mir als Freischaffender meine Zeit mehr oder weniger frei einteilen und bin nicht auf speziell auf Berufstätige abgestimmte Kurszeiten angewiesen. Aber natürlich finde ich mich nicht wie von der Bettina empfohlen 2-3 mal die Woche im Bad ein! Und auch die Bettina ist nicht immer dabei. Manchmal ist es auch die Erika. Und manchmal sind auch mehr als nur ein Teilnehmer und ich da, was die Teilnehmerinnen freut. Einmal Baden pro Woche muss jedenfalls vorerst reichen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die liebe Frau für mich noch eine Reihe anderer sportlicher Aktivitäten geplant hat. Aber davon erzähle

ich Ihnen ein anderes Mal.

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