Immer mehr Kinder mit DM2!

„Der jüngste Typ-2-Diabetiker!“ 


2004 wurde über einen Leipziger Jungen berichtet, der im Alter von fünf Jahren, bei einem Körpergewicht von 55kgan Diabetes mellitus Typ 2 manifestierte – eine Sensationsmeldung, ein trauriger Rekord, der inzwischen einen „Epidemie-ähnlichen“ Hintergrund hat.


Noch vor einigen Jahrzehnten haben wir den Diabetes mellitus im Kindesalter mit einem absoluten Insulinmangel gleichgesetzt, also DM Typ 1. DM Typ 2 war dem sogenannten „älteren“ Patienten vorbehalten und wurde langläufig als „Altersdiabetes“ bezeichnet.


In den 1990er Jahren  berichteten erstmals amerikanische und kanadische Pädiater über vermehrte Fälle von DM2 bei übergewichtigen indianischen Kindern. Zeitgleich erreichte die medizinische Fachwelt auch eine japanische Studie über Diabetesmanifestationen bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen.


2005 bezifferte Deutschland die Häufigkeit des DM2 im Alter von 12 bis 18 Jahren mit 1%, eine dem Anschein nach noch niedrige Prävalenz.


Auch in Österreich zeigt sich, dass die Zunahme von Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen zu mittlerweile über 600.000 diagnostizierten Typ-2-Diabetikern geführt hat. Die Dunkelziffer noch nicht Diagnostizierter dürfte über 200.000 liegen.


So ist es nicht verwunderlich, dass in jeder pädiatrischen Praxis die Zahlen an übergewichtigen, ja extrem adipösen Kindern und Jugendlichen mit metabolischem Syndrom zunehmen. Die absolute Zahl der Jugendlichen mit DM2 ist derzeit noch verhältnismäßig gering und wird mit 0,25-0,37/100.000 angegeben. Das ist im Gegensatz zu manchen Regionen in den USA, wo der DM2 im Kindesalter häufiger als der DM1 ist (!), noch beruhigend. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir auch da „aufholen“ werden.


Das Übergewicht als alleinige Ursache in den Vordergrund zu stellen, wäre zu einfach. Neben Umweltfaktoren, genetischen und ethnischen Faktoren, spielen positive Familienanamnese, Pubertät und Bewegungsmangel eine Rolle. Es ist der DM2 eine sehr komplexe metabolische Erkrankung und daher auch die Diagnostik nicht nur mit der Körperwaage zu führen.


Die „bösen“ Fettzellen dienen evolutionsbedingt als Energiespeicher und waren in der Vergangenheit ein Überlebensvorteil. Diese Fähigkeit, Energie zu speichern, ist in einer Zeit, die geprägt ist durch Sitzen vorm Computer, Fernseher oder im Auto, ein gesundheitlicher Nachteil geworden, „Wir werden im Sitzen krank“!


Fettzellen sind Hormon produzierende Zellen und insbesondere die Fettzellen, die sich im Bauch befinden, belasten unseren Stoffwechsel erheblich. Deshalb ist auch die Bauchumfangmessung ein gutes Maß für das Diabetesrisiko, auch beim Kind oder Jugendlichen. Wir sprechen dabei gerne vom „androiden Fettverteilungstyp“ oder Apfeltypus.


Bis zur endgültigen Diagnose DM2 sind die Symptome oft schleichend, da eine anscheinende Beschwerdefreiheit besteht. Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und NAFLD (nicht alkoholische Fettlebererkrankung), als Ausdruck einer zentralen Insulinresistenz, werden nur bei entsprechendem Screening entdeckt.


Da das Übergewicht von den Erwachsenen und insbesondere von den Eltern als solches nicht wahrgenommen wird (man hat sich schon an den Anblick von übergewichtigen Jugendlichen im Straßenbild gewöhnt), setzen auch entsprechende Maßnahmen verspätet ein. Die Sensibilität ist, so könnte man meinen, abgestumpft oder es hat sich Resignation breit gemacht.


Die Diagnose DM2 wird dann mittels oralem Glukosetoleranztest oder Nüchternblutzucker  >126mg/dl gestellt. Ab diesem Zeitpunkt ist eine absolute Therapieindikation gegeben. Die schwierigste Aufgabe ist das Erreichen einer anhaltenden Lebensstiländerung mit Gewichtsreduktion. Verhaltensänderungen sind deshalb so schwer umzusetzen, weil es auch zu einer Änderung der Lebensverhältnisse kommen muss (Migrationshintergrund, soziales Umfeld, etc…).


Man wagt heute noch nicht, über die Prognose der betroffenen Kinder zu spekulieren, aber es ist anzunehmen, dass die Probleme wie diabetisches Fußsyndrom, diabetische Nephropathie (Nierenschädigung) oder Erkrankungen des Herzkreislaufsystems in einem viel jugendlicheren Alter einsetzen werden, als bis dato aus der Erwachsenenmedizin bekannt ist


Das ist auch der Punkt, warum der Einsatz aller in Politik, Gesellschaft und im Gesundheitssystem notwendig ist.


Denn es genügt nicht, nur über die ansteigenden Zahlen kindlichen Übergewichts zu berichten und diese mit immer neuen Studien zu belegen – 
es wäre viel mehr wichtig, alle Energie in Präventionsmaßnahmen zu legen!


Dr. Peter Kitzler
Facharzt für Kinder- Jugendheilkunde
Sportarzt, Diabetologe
(Literatur beim Verfasser)

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